Rz. 18
Das Leitungsmitglied ist gesetzlicher Verteter der Gesellschaft. Als solches trifft ihn die Insolvenzantragspflicht. Ist die Gesellschaft insolvenzreif, also zahlungsunfähig oder überschuldet, ist grundsätzlich unverzüglich durch die Leitungsmitglieder ein Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO). Auch hier gilt beim Verschulden das Prinzip der Gesamtverantwortung (siehe dazu die Ausführungen bei § 43 GmbHG V). Auch auf die entsprechenden Ausführungen bei der Kommentierung zu § 15b InsO zur Frage des Verschuldens sei verwiesen. Daneben kann die verspätete Insolvenzantragstellung auch eine Haftung wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung begründen (siehe unten bei § 826 BGB).
Rz. 19
Die Strafbarkeit des Geschäftsleiters wegen Insolvenzverschleppung ergibt sich aus § 15a Abs. 4 InsO.
§ 15 a Abs. 4 InsO lautet:
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag
- nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
- nicht richtig stellt.
Rz. 20
Die verspätete oder unterlassene rechtzeitige Beantragung des Insolvenzantrags kann aber auch eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB auslösen. Hierbei ist anerkannt, dass die Strafvorschrift § 15 a Abs. 4 InsO ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist, also bei schuldhafter Verletzung eine entsprechende Schadensersatzpflicht auslöst. Der Geschäftsleiter kann die Insolvenzverschleppung vorsätzlich oder fahrlässig verwirklichen. Raum für D&O-Versicherungsschutz besteht bei der fahrlässigen Begehung. Dies betrifft insbesondere den Geschäftsführer, dem nur eine Verletzung seiner Überwachungspflicht angelastet werden kann. Auch ist zu beachten, dass eine zunächst fahrlässige Insolvenzverschleppung in eine vorsätzliche Verschleppung "umschlagen" kann. Dann entfällt der Versicherungsschutz für den Schaden, der auf der vorsätzlichen Begehung beruht.
Die Rechtsprechung unterscheidet bei der Haftung des Geschäftsleiters wegen Insolvenzverschleppung zwei Fallgruppen. Soweit der Gläubiger bereits bei Beginn der Insolvenzverschleppung mit seiner Forderung vorhanden war, besteht sein Schaden darin, dass durch seine Verschleppung ggf. seine Insolvenzquote sinkt. Insofern ist der Schadensersatzanspruch darauf gerichtet, diesem Gläubiger den sog. Quotenschaden zu ersetzen. Diesen Schaden kann meist nur der Insolvenzverwalter berechnen. Insofern ist dieser auch berechtigt, für die Gläubigergesamtheit den Quotenschaden gegenüber dem haftenden Geschäftsleiter geltend zu machen.
Rz. 21
Soweit ein Gläubiger seine Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzreife erwirbt, hätte dieser bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung ggf. gar nicht mehr mit der Gesellschaft den Vertrag geschlossen. Dann hätte er keinen Forderungsausfall erlitten. Dieser Gläubiger hat einen Direktanspruch gegen den Geschäftsleiter gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 4 InsO, der darauf gerichtet ist, den Gläubiger so zu stellen, als habe er nicht mit der GmbH kontrahiert (sog. negatives Interesse). Soweit der Gläubiger z.B. Ware geliefert hat, bestünde sein Schaden zumindest in dem Verlust seines Einstandspreises und etwaiger anteiliger Verwaltungs-, Lager-, Transport- und Logistikkosten. Er hätte die Ware an einen anderen verkauft und mit diesem auch den Gewinn erzielt. Insofern müsste auch dieser entgangene Gewinn vom Schadensersatzanspruch umfasst sein. Der Gläubiger kann zunächst die Rentabilitätsvermutung in Anspruch nehmen. Der Geschäftsführer muss dann beweisen, dass der Gläubiger anderweitig keinen Gewinn erzielt hätte, weil es keinen Markt für das Produkt gibt. Gleiches gilt für den Werkunternehmer. Hatte dieser mehr Anfragen als Kapazitäten, hätte er in der Zeit ggf. einen anderen Auftrag mit Gewinn ausführen können.