Rz. 1
Wer Vertrauen schafft bzw. für sich in Anspruch nimmt kann, wenn er dieses Vertrauen enttäuscht und dadurch bei anderen Vermögensschäden entstehen für diese haften. Die Haftung aus Vertrauen stützt sich auf eigenständige Anspruchsgrundlagen. Ein geschlossenes in sich widerspruchsfreies System der Anspruchsgrundlagen existiert nicht. Im Wesentlichen hat die Rechtsprechung aufbauend auf Überlegungen der Literatur die Grundlagen entwickelt. Wichtigste Anspruchsgrundlage sind die Grundsätze des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (sog. culpa in contrahendo), die bereits das Reichsgericht 1911 angewendet hat und die erst 2002 in das BGB übernommen wurden (§ 311 Abs. 2 und 3 BGB). Grundsätzlich wird eine Haftung dann ausgelöst, wenn schuldhafte Verstöße gegen Pflichten im Rahmen eines gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnisses erfolgen (siehe § 241 Abs. 2 BGB). Das Gesetz ordnet in § 311 Abs. 2 BGB an, dass ein solches Schuldverhältnis auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, wie bei der Anbahnung eines Vertrags entstehen kann. Hintergrund ist, dass bei den Verhandlungen ein Kontakt entstehen kann, durch den die Vertrags- bzw. Verhandlungspartner die Möglichkeit zur Einwirkung Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils gewährt oder ihm solche Güter anvertraut werden. Hierbei sieht das Gesetz in § 311 Abs. 3 BGB auch vor, dass Schuldverhältnisse mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 auch zu Personen entstehen können, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
Rz. 2
Hier nun kommen die Organpersonen "ins Spiel", die selbst nicht Vertragspartner werden, sondern die Gesellschaft vertreten. Gerade gegenüber Vertretern kann sich ein eigenes Vertrauen entwickeln.
Rz. 3
Eine besondere Fallgruppe bildet die Rechtsscheinhaftung. Hier wird eine Sachlage erweckt, die nicht den Tatsachen entspricht. Wichtigste Fallgruppe sind die Fälle, bei denen die für eine GmbH, UG oder auch AG handelnde Person den Rechtsformzusatz weglässt und beim Gegenüber den Eindruck erweckt, dass der Vertrag mit einem unbeschränkt persönlich für die Verpflichtungen einstehenden Einzelunternehmer geschlossen wird. Der BGH spricht hier von einer Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB. Nach § 179 BGB haftet der Vertreter persönlich, der keine sog. Vertretungsmacht hat, also gar keine Befugnis der Person besitzt, die er vorgibt zu vertreten. So bestimmt § 4 Abs. 2 GmbHG bzw., ergänzend § 35a GmbHG, dass im Rechtsverkehr der GmbH-Zusatz, also der Hinweis auf die Rechtsform anzugeben ist. Für andere Rechtsformen gibt es vergleichbare Bestimmungen (siehe z.B. 19 HGB, § 4 AktG, § 3 GenG). Es gilt der Grundsatz der Rechtsformpublizität. Wird dieser missachtet, kann eine Rechtsscheinshaftung ausgelöst werden, die der BGH wie folgt begründet:
Rz. 4
"Durch die in § 4 GmbHG gesetzlich vorgeschriebene Aufnahme der Gesellschaftsform in die Firma soll dem Geschäftsgegner die Tatsache der beschränkten Haftung seines Verhandlungs- oder Vertragspartners deutlich vor Augen geführt werden. Wird die vom Rechtsverkehr erwartete Offenlegung unterlassen, werden unzutreffende Vorstellungen erweckt. Dadurch entsteht die Gefahr, dass der Geschäftsgegner Dispositionen trifft, die er bei Kenntnis des wahren Sachverhalts ganz oder in dieser Form unterlassen hätte. Dem entspricht als Ausgleich die Vertrauenshaftung dessen, der die erforderliche Aufklärung nicht vornimmt."
Rz. 5
Beispiel: "Gesimsbleche"
Donald Dachs (D) ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Dachs Fassadensanierungs-GmbH. Er bietet im Internet unter der Bezeichnung Dachs Fassadensanierung Dienste an, ohne den Rechtsformzusatz GmbH zu verwenden. Kunde Karl Klotz (K) lässt für 120.000 EUR die Fassade seines Mietshauses sanieren. Die Korrespondenz verlief über E-Mail, wobei D in seiner E-Mail-Signatur ebenfalls den GmbH Zusatz wegließ. Ein Jahr später sind Gewährleistungsarbeiten erforderlich. Die Firma des D habe Gesimsbleche unfachmännisch angebracht. Die Entfernung und Neuanbringung der Bleche kostet 30.000 EUR. Die Dach Fassadensanierungs-GmbH ist mittlerweile pleite, daher hält sich K an D persönlich, er war ohnehin der Ansicht, er habe mit einem Einzelunternehmen den Vertrag geschlossen.
Rz. 6
Hier bestehen gute Chancen des K, dass D ihm gegenüber haften muss. D hat gegenüber K den Eindruck erweckt, es handele sich bei dem Handwerksbetrieb um ein einzelunternehmerisches Unternehmen. Diese Haftung knüpft daran an, dass D ein Unternehmen vertreten habe, ohne über die Rechtsform aufzuklären. Der Vertrag kommt nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Handelns durchaus mit der GmbH zustande. Daneben haftet jedoch D. Diese Haftung knüpft an die Vertreterstellung an, so dass es auch keinen Unterschied macht, ob D selbst Gesellschafter ist bzw. ob ihm das Unternehm...