Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
1. Überblick
Rz. 44
Diese Vorschrift aus dem zum 1.1.1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuch mag antiquiert klingen, sie hat aber durchaus praktische Bedeutung. Die Haftung für vorsätzliche sittenwidrige Schädigung wird von der Rechtsprechung auf immer weitere Anwendungsfälle erstreckt. Diese gehen weit über das Gesellschaftsrecht oder die Organhaftung hinaus. Bei einer Kapitalgesellschaft wird die Haftung eines Gesellschafters wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs in die Sphäre der Gesellschaft ebenfalls auf § 826 BGB gestützt. Der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist z.B. die Heranziehung des § 826 BGB im Fall des VW-Abgasskandals auf VW. Der Gesellschaft wird das vorsätzliche, sittenwidrige Handeln ihrer Organmitglieder gemäß § 31 BGB zugerechnet, daneben haften die Organmitglieder aber auch selbst aus § 826 BGB. Die Anspruchsgrundlage lässt sich daher auch zur Begründung der Haftung der Manager heranziehen. Der Tatbestand ist schwierig zu fassen: Dass der Manager vorsätzlich handelte und auch den Schaden vorsätzlich herbeiführen wollte, ist Grundvoraussetzung. Hierbei genügt es, wenn der Geschäftsleiter den Schaden billigend in Kauf nimmt (sog. bedingter Vorsatz). Für das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, um eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens festzustellen. Die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens ist aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen zu bestimmen. Hier haben sich Fallgruppen herausbildet.
2. Fallgruppen
Rz. 45
Eine Fallgruppe, die eine Haftung des Geschäftsleiters aus § 826 BGB begründet, ist die Bestellung von Ware bzw. die Inanspruchnahme von Leistungen für die Gesellschaft mit dem Bewusstsein, dass diese nicht mehr bezahlt werden können. Hierbei wird diskutiert, ob und wann eine Offenbarungspflicht hinsichtlich einer drohenden oder ggf. schon eingetretenen Insolvenzreife bestehen soll. Bei einer bereits eingetretenen Insolvenzreife ist diese aufzudecken, wenn der Vertragspartner vorleisten soll, also z.B. gegen Rechnung oder Zahlungsziel Ware liefert. Die Absicherung nur über einen Eigentumsvorbehalt ist in der Praxis unzureichend. Sofern ernsthafte Sanierungsbemühungen ggf. gepaart mit einer positiven Fortbestehensprognose vorliegen und deshalb eine Erfüllung seitens der GmbH überwiegend wahrscheinlich ist, kann nicht von einer Offenbarungspflicht ausgegangen werden, zumindest ist die Schwelle der Haftung für eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung noch nicht überschritten.
Rz. 46
Beispiel: "Kostenlose Fracht"
Der Geschäftsführer G beauftragt den Transportunternehmer T mit der Beförderung zahlreicher Güter, wobei wie üblich der Frachtlohn sechs Wochen später gezahlt werden soll. G verschweigt hierbei, dass demnächst die Durchführung des Insolvenzverfahrens beantragt wird, so dass der Frachtlohn zumindest nicht mehr in voller Höhe gezahlt werden kann. Hier hätte G die Vermögenslage offenbaren müssen. Er handelt vorsätzlich und sittenwidrig, wenn er T zur Vorleistung in der Gewissheit veranlasst, dass diese Vorleistung nicht – wie vereinbart – entlohnt wird. G hat daher den entstandenen Schaden gemäß § 826 BGB zu ersetzen. Schwierig sind – wie erwähnt - die Fälle, in denen sich der Geschäftsführer um ernsthafte Sanierung bemüht und die Bemühungen auch objektiv Erfolg versprechen. Hier könnte der Hinweis auf eine Krise der Gesellschaft den Todesstoß geben.. Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht, was sich im Fall der ernsthaften Sanieru...