1 Leitsatz
Ein Verwalter darf sich nicht unter Hinweis auf die COVID-19-Pandemie weigern, eine Versammlung durchzuführen, wenn die Durchführung mit vertretbarem Aufwand möglich ist, öffentlich-rechtliche Beschränkungen nicht entgegenstehen und die Versammlung zu einem Zeitpunkt begehrt wird, zu welchem Schulen und Geschäfte vollständig geöffnet waren. Die Verlängerung der Verwalterbestellung nach § 6 Abs. 1 COVMG macht eine Versammlung, auf der über die Verwalterneubestellung entschieden werden soll, nicht entbehrlich.
2 Normenkette
§§ 24 Abs. 3, 26 Abs. 1 WEG; § 6 Abs. 1 COVMG
3 Das Problem
Die Bestellung von Verwalter V endet am 31.12.2020. Der Beiratsvorsitzende fordert daher V im August 2020 auf, eine Versammlung einzuberufen, um über die Weiterbestellung zu beschließen. V weigert sich unter Hinweis auf die COVID-19-Pandemie und die Regelung zur Weiterbestellung des Verwalters in § 6 Abs. 1 COVMG. Für eine Verwalterwahl bestehe danach kein Bedürfnis. Hierauf lädt der Beiratsvorsitzende selbst zu einer Versammlung ein. Wohnungseigentümer K begehrt, ihm dies durch eine einstweilige Verfügung zu untersagen. Das AG weist diesen Antrag zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des K.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Der Beiratsvorsitzende sei berechtigt gewesen, nach § 24 Abs. 3 WEG zu einer Versammlung zu laden. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung lägen vor. Die COVID-19-Pandemie habe Verwalter nicht davon entbunden, Versammlungen durchzuführen. Da die Versammlung der zentrale Ort für Entscheidungen der Eigentümer sei, bestehe, soweit diese durchführbar seien, ein Anspruch auf Durchführung von Versammlungen. Im Fall gebe es zwar mehr als 50 Wohnungseigentümer. K habe aber selbst vorgetragen, dass üblicherweise nur 20 davon erscheinen würden. Selbst dann, wenn bei einer Verwalterwahl mit einem höheren Teilnahmegrad zu rechnen wäre, sei in der derzeitigen Situation davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer in erheblichem Umfang davon Gebrauch machen würden, Vollmachten zu erteilen. Da zum Zeitpunkt der Versammlung nach den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen Zusammenkünfte von bis zu 50 Personen zulässig waren, hätten einer Versammlung auch keine öffentlich-rechtlichen Beschränkungen entgegengestanden. Allein die Pandemielage als solche habe jedenfalls im Oktober 2020, als Schulen und Geschäfte vollständig geöffnet gewesen sein, nicht ohne weitere Gründe eine Weigerung des Verwalters, eine Versammlung einzuberufen, gerechtfertigt. Aus § 6 Abs. 1 COVMG folge nichts anderes. Wenn eine Versammlung durchführbar sei, könne die automatische Verlängerung der Amtsstellung nicht angeführt werden, um eine Willensbildung der Eigentümer über den Verwalter zu verhindern.
Hinweis
- Nach § 6 Abs. 1 COVMG bleibt der zuletzt bestellte Verwalter i. S. d. WEG bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt. Diese Bestimmung soll die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erleichtern. Dies gilt aber nur, und das ist der Kern der Entscheidung, wenn es den Wohnungseigentümern nicht möglich ist, sich zu versammeln. Denn dann könnte die Bestellung eines Verwalters ablaufen und die Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage wäre jedenfalls erheblich erschwert. Ist indessen eine Versammlung möglich, und so war es unstreitig im Fall, muss der Verwalter auch in Zeiten der COVID-19-Pandemie seine Pflichten als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfüllen und wenigstens einmal im Jahr eine Versammlung einberufen.
- Beraumt der Verwalter allerdings eine Versammlung an, obwohl das öffentliche Recht diese nicht zulässt, sind alle dort gefassten Beschlüsse anfechtbar. Es ist auch vorstellbar, dass der Verstoß gegen das öffentliche Recht eine Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse nach sich zieht. Jedenfalls ist kein Wohnungseigentümer gezwungen, zu so einer Versammlung zu erscheinen.
- Ist eine Versammlung möglich, obliegt es dem Ermessen des Verwalters, wann, wo, zu welchem Zeitpunkt, an welchem Ort und an welcher Stätte die Versammlung einberufen wird. Um den besonderen Anforderungen der COVID-19-Pandemie zu begegnen, kann es im Einzelfall z. B. richtig sein, eine Versammlung auf einem zur Wohnungseigentumsanlage gehörenden Spielplatz durchzuführen, wenn der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gewahrt bleibt. Bestimmt der Verwalter eine ungeeignete Versammlungsstätte, dürfte kein Wohnungseigentümer verpflichtet sein, an der Versammlung teilzunehmen und es dürften, sind Wohnungseigentümer wegen der Ungeeignetheit der Versammlungsstätte der Versammlung ferngeblieben, dennoch gefasste Beschlüsse einer ordnungsmäßigen Verwaltung widersprechen. Sie sind zwar nicht nichtig, aber anfechtbar.
- Die Pflicht, für die Einhaltung des öffentlichen Rechts während der Versammlung zu sorgen, ist ein Teil der Versammlungsleitung und damit Aufgabe des Verwalters als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Ihm obliegt es z. B., für den Mindestabstand zwischen den Teilnehmern zu sorgen und auch auf die Hygiene zu achten. Was im Einzelnen gilt, ist eine Frage des Infek...