Detlef Burhoff, Michael Eggers
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Durchsuchung zur Nachtzeit sind in § 104 geregelt. |
2. |
Der Begriff der Nachtzeit i.S. des § 104 Abs. 1 ist in § 104 Abs. 3 definiert. |
3. |
Die Regelung des § 104 gilt nach Abs. 1 für bestimmte Durchsuchungsobjekte. |
4. |
Nach § 104 Abs. 1 dürfen, die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum zur Nachtzeit nur in den in Abs. 1 Nr. 1 – 4 bestimmten Fällen durchsucht werden. |
5. |
Nach § 104 Abs. 2 gelten die Beschränkungen des Abs. 1 für bestimmte Räume nicht. |
6. |
Für den Durchsuchungsbeschluss für die Anordnung einer Durchsuchung zur Nachtzeit gelten die allgemeinen Regeln an die Begründung einer Durchsuchungsmaßnahme. Darüber hinaus müssen im Anordnungsbeschluss müssen die Voraussetzungen für die Ausnahme nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 – 4 dargelegt werden. |
7. |
Fraglich ist das Vorliegen eines BVV, wenn eine Durchsuchung zur Nachtzeit unter Inanspruchnahme eine der Ausnahme des § 104 Abs. 1 Nr. 1 – 4 erfolgt, ohne dass die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung vorgelegen haben. |
8. |
Ist die Durchsuchung zur Nachtzeit rechtswidrig, muss sich der Verteidiger überlegen, ob er einen Rechtsbehelf einlegt oder dieses ggf. (zunächst) unterlässt. |
Rdn 1987
Literaturhinweise:
Burhoff, Durchsuchung zur Nachtzeit (§ 104 StPO), StRR 10/21, 6
ders., Fortentwicklung der StPO – Änderungen in der StPO 2021, StraFo 2021, 398
Hillenbrand, Legalized it? – Das neue Konsumcannabisgesetz, StRR 5/2024, 5
Hütwohl, Nachtzeit ist nicht gleich Nachtzeit – Einheitlichkeit der Rechtsordnung und Relativität der Rechtsbegriffe, NJW 2021, 3298
s.a. die Hinw. bei → Beschlagnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 880, bei → Beschlagnahme, Beschlagnahmeverbote, Teil B Rdn 939, bei → Durchsuchung, Allgemeines, Teil D Rdn 1770, und bei den jeweils dort genannten weiteren Stichworten.
Rdn 1988
1.a) Die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Durchsuchung zur Nachtzeit sind in § 104 geregelt. Die Vorschrift ist durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 geändert worden (dazu Hütwohl NJW 2021, 3298). Nach § 104 Abs. 1 a.F. durften zur Nachtzeit die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum nur bei Verfolgung auf frischer Tat oder bei Gefahr im Verzug oder dann durchsucht werden, wenn es sich um die Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen handelte. Der Begriff der Nachtzeit war in § 104 Abs. 3 a.F. legal bestimmt, und zwar unterschiedlich für die Sommerzeit vom 1.4. – 30.9. und die Winterzeit vom 1.10. – 31.3.
Rdn 1989
b) Nach Auffassung des Gesetzgebers war die Fassung des § 104 Abs. 1 a.F. aber zu eng (BT-Drucks. 19/30517, S. 19). Denn in Deliktsbereichen, die vorwiegend durch die Nutzung von Computern und Ähnlichem begangen würden – angeführt werden insbesondere Ermittlungen im Bereich der Kinderpornographie und des sexuellen Missbrauchs von Kindern – stünden die Ermittlungsbehörden vermehrt vor dem Problem, dass die Täter ihre Datenträger durch den Einsatz von Verschlüsselungstechnologien vor dem Zugriff durch die Strafverfolgungsbehörden schützen. Gelinge die Entschlüsselung nicht und zeige sich der Beschuldigte auch nicht kooperativ, habe dies zur Folge, dass eine digital-forensische Auswertung nicht erfolgen könne. Daher sei es für die Ermittlungsbehörden zur effektiven Aufklärung von Straftaten von großer Bedeutung, Datenträger möglichst dann zu beschlagnahmen, wenn sie sich (noch) in unverschlüsseltem Zustand befinden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn sie während der Durchsuchung vom Beschuldigten genutzt würden. Ob die Durchsuchung zur Nachtzeit in diesen Konstellationen von den Ausnahmen der Regelung in § 104 Abs. 1 a.F. "bei Verfolgung auf frischer Tat oder bei Gefahr im Verzug" erfasst werde, werde in der Praxis uneinheitlich gesehen und daher werde auch der Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen für Durchsuchungen zur Nachtzeit uneinheitlich gehandhabt. Teilweise würde entsprechende Beschlüsse von Gerichten erlassen, weil bestimmte Tätergruppen als sehr nachtaktiv angesehen werden und es daher wahrscheinlich sei, den Beschuldigten zur Nachtzeit am "offenen PC" anzutreffen. Andererseits werde argumentiert, dass es sich dabei nur um eine reine Vermutung handele, den Verdächtigen so auf frischer Tat anzutreffen, und die Durchsuchung zur Nachtzeit abgelehnt (auch Meyer-Goßner/Schmitt, § 104 Rn 3 m.w.N.).
Rdn 1990
Vor diesem Hintergrund meinte man den § 104 Abs. 1 a.F. neu fassen und durch die Aufnahme der früher nicht geregelten Konstellation in Nr. 3 eine ausdrückliche Regelung schaffen zu müssen, wonach die vorgenannten Konstellationen (Teil D Rdn 1989) ebenfalls eine Durchsuchung zur Nachtzeit rechtfertigen können. Wegen der Einzelh. wird auf Teil D Rdn 1994 ff. verwiesen.
☆ M.E. ist fraglich , ob diese Neuregelung, wie die Gesetzesbegründung meint, in ihrer Intensität den Nrn. 1, 2 und 4, die der bisherigen Regelung in § 104 Abs. 1 a.F. entsprechen, gleich kommt (so aber BT-Drucks. 19/30517, S. 19.).fraglich, ob diese Neuregelung, w...