Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Dienstaufsichtsbeschwerde gehört zu den im Gesetz nicht geregelten formlosen Rechtsbehelfen.
2. Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist an keine Form und Frist gebunden, die zur Entscheidung zuständige Stelle muss die Beschwerde prüfen.
3. Die Dienstaufsichtsbeschwerde hat im EV ihr Hauptanwendungsgebiet bei den staatsanwaltlichen Anordnungen und denen der Polizei. Bei einem Richter kann nur die äußerliche Erledigung seiner Dienstgeschäfte beanstandet werden.
4. Der Verteidiger muss sich sorgfältig überlegen, ob er überhaupt eine Dienstaufsichtsbeschwerde einlegt. Hat er sich zur Einlegung entschieden, ist auf die Formulierung und Begründung der Dienstaufsichtsbeschwerde besondere Sorgfalt zu verwenden.
 

Rdn 1636

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Die Abrechnung (förmlicher/formloser) Rechtsbehelfe im Straf- und Bußgeldverfahren, StRR 2012, 172

ders., Die Abrechnung (förmlicher/formloser) Rechtsbehelfe im Straf- und Bußgeldverfahren, RVGreport 2013, 212

Dünnebier, Die Grenzen der Dienstaufsicht gegenüber der Staatsanwaltschaft, JZ 1958, 417

Finck, Verhältnis der Anwaltschaft zur Richterschaft, DRiZ 1959, 14

Ostler, Richter und Rechtsanwalt. Betrachtungen, Wünsche und Forderungen im Interesse der Rechtspflege, DRiZ 1958, 61

Reinicke, Richter und Anwalt, DRiZ 1959, 310.

 

Rdn 1637

1. Die Dienstaufsichtsbeschwerde (im Folgenden kurz: DAB) gehört – ebenso wie die → Gegenvorstellung, Teil G Rdn 2463 – zu den im Gesetz nicht geregelten formlosen Rechtsbehelfen. Sie ist eine Erscheinungsform des sich aus Art. 17 GG ergebenden Petitionsrechts. Mit der DAB wendet sich der Beschwerdeführer an den die Dienstaufsicht führenden Vorgesetzten und beschwert sich i.d.R. über das dienstliche Verhalten des Beamten (vgl. zur DAB auch Dahs, Rn 1091 ff.; Dünnebier JZ 1958, 417 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 22; Burhoff/Kotz/Hunsmann, RM, Teil B Rn 262 ff.).

 

Rdn 1638

2. Allgemein gilt: Die DAB ist an keine Form und Frist gebunden, wird i.d.R. aber schriftlich eingelegt und auch begründet (zum Inhalt s. Teil D Rdn 1644). Auf die DAB muss die zur Entscheidung zuständige Stelle einen Bescheid erlassen, aus dem zu erkennen sein muss, dass die Beschwerde geprüft und was veranlasst worden ist (vgl. BVerfG NJW 1953, 817 zu Art. 17 GG; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 22 m.w.N.).

 

Rdn 1639

3. Im EV hat die DAB ihr Hauptanwendungsgebiet bei den staatsanwaltlichen Anordnungen und denen der Polizei. Daneben kommt sie noch beim Vollzug der U-Haft in Betracht. Ggf. kann sie auch gegen richterliche Anordnungen eingelegt werden. Im Einzelnen gilt (vgl. a. Burhoff/Kotz/Hunsmann, RM, Teil A Rn 262 ff.):

 

Rdn 1640

 

Für eine Maßnahme/Anordnung der StA:

Da die StA gem. § 146 GVG weisungsgebunden ist, kann sich die DAB sowohl gegen den sachlichen Inhalt als auch gegen die äußerliche Erledigung des Dienstgeschäfts richten.

Die DAB ist grds. gegen alle Maßnahmen/Anordnungen der StA zulässig.

 

☆ Nach Meyer-Goßner/Schmitt (§ 147 Rn 40) ist die DAB auch das einzige Rechtsmittel , das über die in § 147 Abs. 5 eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten hinaus bei Verweigerung der AE durch die StA gegeben ist (wegen der Einzelh. → Akteneinsicht, Rechtsmittel bei Ablehnung , Teil A Rdn  464 ).Meyer-Goßner/Schmitt (§ 147 Rn 40) ist die DAB auch das einzige "Rechtsmittel", das über die in § 147 Abs. 5 eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten hinaus bei Verweigerung der AE durch die StA gegeben ist (wegen der Einzelh. → Akteneinsicht, Rechtsmittel bei Ablehnung, Teil A Rdn 464).

Sie kann bei dem unmittelbaren Vorgesetzten des sachbearbeitenden StA eingelegt werden, aber auch bei der GStA, z.B. durch den Anzeigeerstatter bei Einstellung des Verfahrens neben der Einstellungsbeschwerde (s. Meyer-Goßner/Schmitt, § 172 Rn 18 m.w.N.). Gegen Entscheidungen des GStA muss sich der Verteidiger an den JM wenden.
 

Rdn 1641

 

Für eine Maßnahme/Anordnung der Polizei:

Gegen polizeiliche Maßnahmen im EV ist die DAB ebenfalls zulässig, und zwar kann sowohl die eigentliche Sachbehandlung als auch das (konkrete) dienstliche Verhalten des Polizeibeamten als solches beanstandet werden.
Zuständig ist in beiden Fällen der Dienstvorgesetzte des Beamten (Meyer-Goßner/Schmitt, § 163 Rn 50), es sei denn, die Beamten sind als → Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, Teil E Rdn 2321, tätig geworden. In diesem Fall entscheidet der Dienstvorgesetzte nur über die DAB, die das (dienstliche) Verhalten des Beamten betrifft, i.Ü. ist die StA zuständig, für die die Ermittlungsperson tätig geworden ist (OVG Hamburg NJW 1970, 1699 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 152 GVG Rn 8; Dahs, Rn 1095).
 

Rdn 1642

 

Für eine Maßnahme/Anordnung beim Vollzug der U-Haft:

Neben den allgemeinen Rechtsmitteln gegen Maßnahmen beim Vollzug der U-Haft (§ 119a; → Rechtsmittel im Ermittlungsverfahren, Teil R Rdn 3950; → Untersuchungshaft, Rechtsmittel/Anträge, Teil U Rdn 4518) steht der Rechtsbehelf der DAB zur Verfügung (vgl. z.B. § 65 Abs. 3 LUVollzG Rheinland-Pfalz v. 15.9.2009 [GVBl 2009, 317], in dem...

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