Leitsatz
1. Ein Fehler, der den Erwerber zur Minderung der Vergütung berechtigt, liegt dann vor, wenn die Wohnfläche einer Dachgeschoßwohnung mehr als 10 % kleiner ist als nach dem Werkvertrag geschuldet. Dies gilt auch, wenn die Größe nicht zugesichert war.
2. Im übrigen ist der Begriff "Wohnfläche" auslegungsbedürftig.
Sachverhalt
Noch vor deren Fertigstellung erwarb ein Ehepaar eine Dachgeschoßwohnung, die laut Prospekt 78 m² groß werden sollte, und entrichtete den dieser Größe entsprechenden Kaufpreis. Im notariellen Kaufvertrag waren Angaben über die Größe der Wohnfläche nicht enthalten. Nach Fertigstellung der Wohnung ergab eine Flächenberechnung, daß die Wohnung tatsächlich ca. 10 m² kleiner war. Die Käufer machen nun den entsprechenden Minderungsbetrag geltend.
Entscheidung
Wie zu erwarten war, sprach der BGH den Erwerbern den begehrten Minderungsbetrag zu. Schließlich kann es nicht darauf ankommen, ob im Kaufvertrag Angaben über die Wohnfläche enthalten sind, wenn ein Prospekt solche enthält und letztlich für den Kaufentschluß der Erwerber ausschlaggebend ist. Die Veräußerer haben jedenfalls gewußt, daß in den Prospektunterlagen die Wohnfläche mit 78 m² angegeben war. Im notariellen Kaufvertrag hingegen fehlten entsprechend abweichende Angaben. In diesem Fall ist dann aber die im Prospekt angegebene Größe zum Vertragsinhalt geworden.
Die Wohnung ist demgemäß wegen der Mindergröße von mehr als 10 % Wohnfläche fehlerhaft. Zwar handelte es sich hierbei ungeachtet der Bezeichnung "Kaufvertrag" um einen Werkvertrag, da die Wohnung ja noch errichtet werden mußte. Unabhängig davon aber, ob man den Vertrag nun als Kauf- oder Werkvertrag ansieht, ist ein Fehler immer dann gegeben, wenn der "Istzustand" der Kaufsache schlechter ist als der "Sollzustand", sie also nicht so beschaffen ist, wie der Käufer es erwarten darf. Sachmängel sind jedoch nur solche, die den Wert oder die Brauchbarkeit der Sache zumindest mindern. Der Wert der Sache wird durch die sog. wertbildenden Faktoren wie Zustand, Alter, Brauchbarkeit, Echtheit und wie vom BGH nicht nur in vorliegendem Fall entschieden, auch durch deren Größe bestimmt. Denn die Wohnfläche einer Wohnung ist nach der Verkehrsauffassung ein Merkmal, das von wesentlicher Bedeutung für deren Wert ist.
Wie aber war es zu der abweichenden Wohnflächengröße gekommen? Kaufobjekt war eine Dachgeschoßwohnung. Da es sich bei dem Gebäudekomplex nicht um einen solchen mit einem Flachdach handelte, waren bei Berechnung der Wohnfläche natürlich vorhandene Dachschrägen zu berücksichtigen. Im Klartext: Die Wohnfläche von Dachgeschoßwohnungen kann nicht nach der Grundfläche, sondern muß in Anlehnung an die DIN 283 oder die 2. Berechnungsverordnung ermittelt werden. Hiernach bleiben Flächen unter Schrägen bei der Wohnflächenberechnung unberücksichtigt, soweit der Raum über ihnen eine lichte Höhe von weniger als 1 m hat. Soweit diese Höhe zwischen 1 m und 2 m liegt, werden die Flächen nur zur Hälfte angerechnet. Eine derartige Berechnung seitens der Wohnungsverkäufer unterblieb jedoch, so daß sich die abweichende Wohnfläche ergab.
Von dieser Berechnung abweichende vertragliche Regelungen hatten die Parteien nicht getroffen. Andere Regelungen zum Begriff "Wohnfläche" lagen auch nicht vor. Insoweit war zu berücksichtigen, daß sich ein allgemeiner Sprachgebrauch für den Begriff "Wohnfläche" nicht entwickelt hat, dieser also auslegungsbedürftig ist. Demnach war von einer Verkehrssitte auszugehen, nach der die Wohnfläche nicht nach der Grundfläche, sondern unter Berücksichtigung etwa vorhandener Dachschrägen, berechnet wird.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 11.07.1997, V ZR 246/96
Fazit:
Daß sich die Anschaffungskosten für eine Eigentumswohnung letztlich nicht allein im Kaufpreis erschöpfen, weiß jeder Wohnungseigentümer. Hinzu kommen in der Regel noch die entsprechend höheren Erwerbskosten wie Finanzierungsaufwand, Grundsteuer und Notarkosten. Aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Kaufsache sind dann auch diese entsprechend höheren Kosten von den Veräußerern zu tragen.
Die Verkäufer der Wohnung versuchten noch dadurch ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, in dem sie geltend machten, der Prospekt habe ausschließlich "Ca.-Angaben" enthalten. Daß dieses Argument letztlich nicht greifen konnte, ist einleuchtend, wenn es sich um eine Abweichung von mehr als 10 % handelt.