Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
I. Bestimmung des Erbstatuts
Rz. 15
Das dänische Erbkollisionsrecht ist nicht kodifiziert. Es erschließt sich aus Gewohnheitsrecht, Rechtsprechung und Literatur. Die dänischen IPR- und IZVR-Normen werden als Sachnormverweisungen verstanden. Ein Renvoi des ausländischen Rechts wird nicht angenommen.
Rz. 16
Nach dem geltenden Domizilprinzip ist das dänische Erbgesetz auf alle in Dänemark mit festem und dauerhaftem Wohnsitz lebenden Personen ohne Rücksicht auf ihre Nationalität anwendbar – grundsätzlich hingegen nicht auf dänische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland. "Domizil" ist der Ort, an dem der Erblasser seinen letzten festen und dauerhaften Wohnsitz hatte. Ein Domizil wird dadurch erworben, dass man sich in einem Staat oder in einem territorialen Rechtsgebiet mit der Absicht freiwillig niederlässt, dort ständigen, d.h. auf Dauer angelegten Wohnsitz zu nehmen – oder als Mindestvoraussetzung nicht die Absicht hegt, sich nur vorübergehend dort aufzuhalten (Wohnsitz nicht als bloße Zwischenlösung).
Rz. 17
Das Erbstatut umfasst alle erbrechtlichen Fragen. Erbrechtliche Verträge hingegen werden vom Erbstatut nicht erfasst.
Rz. 18
Maßgeblich für die Erbfolge in ihrem gesamten Umfang hinsichtlich Mobilien wie Immobilien ist das Recht am letzten Domizil des Erblassers. Eine Ausnahme gilt dann, wenn im Staat, in dem das zu vererbende Grundstück belegen ist, für bestimmte Grundstücksarten (z.B. landwirtschaftliche Betriebe) eine besondere Regelung bezüglich der Art, wie das Grundstück vererbt wird (einschließlich Sonderbestimmungen über die Testierfähigkeit) getroffen wird: Dann gilt – beschränkt auf die Immobilie – die lex rei sitae.
Rz. 19
Dem Erblasser kommt – anders als einem von der EuErbVO erfassten Erblasser – keine Rechtswahl zu. Er kann also keine andere Rechtsordnung als jene des Ortes seines Domizils wählen. Die Erben können jedoch vom Domizilprinzip einvernehmlich im Rahmen der Nachlassauseinandersetzung abweichen: Sie können vereinbaren, dass dänisches Erbrecht Anwendung findet. Diese Möglichkeit besteht nur dann nicht, wenn der Erblasser selber testamentarisch eine solche Vereinbarung ausgeschlossen hat.
II. Zuständigkeit dänischer Gerichte
Rz. 20
Das dänische IZVR folgt dem Grundsatz der Universalität und der Einheit des Nachlassverfahrens: Angestrebt wird, dass das Nachlassverfahren in nur einem Land durchgeführt wird und sämtliche Vermögenspositionen erfasst. Für den Fall, dass sich ein dänisches Gericht für international zuständig erklärt, gilt die feste Vermutung, dass das Verfahren grundsätzlich sämtliche Vermögenswerte des Verstorbenen umfasst (wobei im Ausland befindliche Aktiva ebenfalls, soweit möglich, in das Verfahren mit einbezogen werden).
Rz. 21
Die internationale Entscheidungszuständigkeit dänischer Gerichte wird in § 2 DSL geregelt. Nach § 2 Abs. 1 DSL ist ein dänisches Gericht international zuständig, wenn der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes nach Maßgabe der §§ 235 und 236 der dänischen Prozessordnung (retsplejeloven – fortan: RPL) seinen allgemeinen Gerichtsstand (hjemting) in Dänemark hatte und damit als "Inländer in prozessualer Hinsicht" zu qualifizieren war. Die Rechtspraxis erachtet Personen, die aufgrund ihres Wohnsitzes oder ihres Aufenthaltsortes eine solche Verbindung zu Dänemark aufweisen, dass eine mindestens so enge Beziehung zu Dänemark wie zu einem anderen Staat besteht, als "Inländer in prozessualer Hinsicht". Der Staatsangehörigkeit des Verstorbenen kommt hingegen grundsätzlich keine Bedeutung zu.
Rz. 22
Hatte der Verstorbene keinen allgemeinen Gerichtsstand in Dänemark, können die dänischen Nachlassgerichte dennoch entscheiden, dass die Auseinandersetzung bezüglich des ganzen Nachlasses oder Teile davon vor einem dänischen Nachlassgericht erfolgen soll, wenn der Verstorbene dänischer Staatsangehöriger war oder eine andere besondere Verbindung zu Dänemark hatte und Aktiva hinterlässt, die in eine Nachlassauseinandersetzung im Ausland nicht einbezogen werden. Dasselbe gilt, wenn der Verstorbene in Dänemark Aktiva hinterlässt, die in eine Nachlassauseinandersetzung im Ausland nicht mit einbezogen werden. Erfolgt die Nachlassauseinandersetzung aufgrund von § 2 Abs. 2 DSL vor einem dänischen Nachlassgericht (d.h. obwohl der Verstorbene "Ausländer in prozessualer Hinsicht" war), bedeutet dies in der Praxis aufgrund des Umstands, dass das dänische Erbkollisionsrecht dem Domizilprinzip (Rdn 15) folgt, dass das dänische Gericht ausländisches materielles Erbrecht zur Anwendung gelangen lässt. Ein dänisches Gericht wendet jedoch stets dänisches und kein fremdes Prozessrecht an.
Rz. 23
Nach § 2 Abs. 3 DSL muss der Antrag auf Nachlassauseinandersetzung nach § 2 Abs. 2 DSL beim Nachlassgericht des Ortes gestellt werden, in dessen Bezirk das Grundeigentum belegen ist bzw. wo sich sonstige Nachlassaktiva befinden. Befinden sich keine Aktiva (Grundeigentum oder sonstige Nachlassaktiva) in Dänemark, muss der Antrag beim Nachlassgericht des Gerichtsbezirks gestellt werden, in ...