Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
I. Prinzipien der gesetzlichen Erbfolge
Rz. 32
Wie das deutsche Recht bauen auch die dänischen Regelungen auf dem Parentelsystem, dem Stammes- und dem Liniensystem sowie dem Prinzip der Repräsentation auf.
II. Gesetzliche Erben
Rz. 33
Die engsten verwandtschaftlichen Erben eines Erblassers (Erben erster Ordnung) sind nach § 1 Abs. 1 ARL dessen Kinder und deren Abkömmlinge (im Falle des Todes eines Kindes). § 4 ARL stellt dabei ausdrücklich klar, dass ein Adoptivkind und dessen Abkömmlinge die gleiche erbrechtliche Stellung wie die leiblichen Abkömmlinge des Adoptierenden haben, soweit sich aus den Vorschriften der Adoptionsgesetzgebung nichts anderes ergibt – was für vor dem 1.10.1972 erfolgte Adoptionen Relevanz haben kann: Für zwischen dem 1.4.1923 und dem 31.12.1956 erfolgte Adoptionen gilt grundsätzlich das "Zwei-Familien-Prinzip", wonach das Adoptivkind sowohl nach und von der adoptierenden Person und deren Verwandtschaft als auch nach und von einem leiblichen Elternteil und dessen Verwandtschaft erbt und vererbt. Für zwischen dem 1.1.1957 und dem 31.9.1972 erfolgte Adoptionen gilt hingegen grundsätzlich das heutige Prinzip eines vollständigen Familienwechsels. Allerdings war es möglich, die Adoptionsbewilligung mit einem Vorbehalt zu versehen, dass erbrechtlich weiter das "Zwei-Familien-Prinzip" gelten sollte.
Rz. 34
Erben der zweiten Ordnung (d.h., wenn der Erblasser keine Kinder oder andere Abkömmlinge hinterlassen hat) sind nach § 2 Abs. 1 ARL die Eltern des Erblassers zu gleichen Teilen (und – sofern ein Elternteil verstorben ist – ggf. deren Abkömmlinge, § 2 Abs. 2 ARL).
Rz. 35
Erben der dritten Ordnung sind nach § 3 Abs. 1 ARL die Großeltern des Erblassers. Die eine Hälfte der Erbschaft fällt den Großeltern auf Seiten des einen Elternteils, die andere Hälfte den Großeltern auf Seiten des anderen Elternteils zu. Ist einer der Großeltern verstorben, treten dessen Kinder an dessen Stelle. Weitere Abkömmlinge dieser Personen sind hingegen nicht Erben (§ 3 Abs. 2 ARL). Cousins und Cousinen des Erblassers – sowie noch entferntere Verwandte – sind damit keine gesetzlichen Erben. Im Verhältnis der Erben der Eltern untereinander wird das Erbe nach Maßgabe von § 2 ARL geteilt. Gibt es hingegen nur Erben auf Seiten eines der Elternteile, erben diese allein (§ 3 Abs. 3 ARL).
Rz. 36
Erbberechtigt ist nach § 94 Abs. 1 ARL – vorbehaltlich einer anderweitigen testamentarischen Regelung – nur derjenige, der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch lebt oder bereits gezeugt und später lebend geboren wird (nasciturus). § 94 Abs. 2 ARL stellt die Vermutungsregel auf, dass, wenn zwei Personen, die nacheinander erbberechtigt waren, verstorben sind, ohne dass feststeht, wer von ihnen zuerst gestorben ist, keiner den anderen überlebt hat. Der Nachweis über den Tod des Erblassers erfolgt durch eine ärztlich ausgestellte Sterbeurkunde. Es wird keine gesonderte behördliche Todesurkunde ausgefertigt. In Fällen, in denen keine Sterbeurkunde ausgestellt werden kann, der Tod des Erblassers aber als gesichert gilt, erlässt das Nachlassgericht auf Antrag eines jeden, der ein rechtliches Interesse nachweist, einen Beschluss (kendelse) darüber, dass der Erblasser als tot anzusehen ist (§ 5 Abs. 1 DSL – Todeserklärung). Nach Maßgabe der §§ 5 ff. des Gesetzes über Verschollene (lov om borteblevne) i.d.F. der Bekanntmachung Nr. 765 vom 4.8.2005 mit späteren Änderungen kann ein Erblasser sechs Monate, nachdem für ihn Lebensgefahr oder eine sonstige hohe Wahrscheinlich für den Eintritt seines Todes bestand, bzw. fünf Jahre nach dem letzten Lebenszeichen durch Urteil des Amtsgerichts für tot erklärt werden.
Rz. 37
Die Rangordnung bedeutet, dass ein Verwandter solange nicht zur Erbfolge berufen ist, als ein Verwandter von einer vorhergehenden Ordnung noch lebt und erbberechtigt ist.
Rz. 38
Innerhalb der ersten Ordnung (arveklasse) wird das Erbe in gleich großen Anteilen auf die Kinder des Erblassers (seine nächsten Verwandtenerben) verteilt (§ 1 Abs. 1 ARL). Solange ein Kind lebt, sind dessen Abkömmlinge nicht erbberechtigt. Ist ein Kind des Erblassers hingegen vor dem Erblasser verstorben, treten dessen Kinder zu gleichen Teilen in seinen Erbteil ein (Repräsentationsprinzip – § 1 Abs. 2 S. 1 ARL). Auf entsprechende Weise erben nach § 1 Abs. 2 S. 2 ARL entferntere Abkömmlinge. Das Repräsentationsprinzip gilt gleichermaßen für die zweite und dritte Ordnung.
III. Der Ehegatte
Rz. 39
Einleitungsweise ist anzumerken, dass der überlebende Ehegatte, der mit dem verstorbenen Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt hatte – für den Fall, dass er keine fortgesetzte Gütergemeinschaft beantragt (Rdn 44 ff.) – im Voraus durch Güterteilung (bodeling) seinen Anteil am Gesamtgut (boslod) erhält. Damit umfasst die Erbschaft nur noch den Anteil des Erblassers am Gesamtgut. Bei der Güterteilung wird das Vermögen der Ehegatten grundsätzlich zur Hälfte geteilt. Der Ehegatte des Erblassers erbt als sein eigener gesetzlicher Erbteil neben Abkömmlingen des Erblassers nach § 9 Abs. 1 ARL die Hälfte des Nachlasses. ...