a) Pauschale Erhöhung um ein Viertel
Rz. 9
Nach Abs. 3 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB erhöht sich die nach Abs. 1 ermittelte Erbquote pauschal um ein weiteres Viertel, und zwar unabhängig davon, ob der überlebende Ehepartner einen Anspruch auf Zugewinnausgleich gehabt hätte, und unabhängig davon, aus welchen Gründen die Ehe geschlossen wurde und wie lang sie bestand. Erbt der Ehepartner daher neben Verwandten der ersten Ordnung, so beläuft sich seine Erbquote auf ½, erbt er neben Verwandten der zweiten Ordnung, so beläuft sich seine Erbquote auf ¾.
Rz. 10
Str. ist hingegen die Höhe der Erbquote des Ehepartners, wenn er neben Großeltern zur gesetzlichen Erbfolge gelangt und ihm bereits nach Abs. 1 S. 2 über die Hälfte der Erbschaft zusteht. Die h.M. geht hierbei davon aus, dass der gesetzliche Erbteil i.S.v. § 1371 Abs. 1 BGB nur die hälftige Erbquote i.S.v. Abs. 1 S. 1 ist. Eine a.A. will hingegen als gesetzlichen Erbteil i.S.v. § 1371 Abs. 1 BGB den nach Abs. 1 S. 2 erhöhten Erbteil des Ehepartners zugrunde legen. Für die h.M. spricht, dass über eine pauschale Erhöhung der Erbquote nicht ein Ausschluss der Beteiligung von Großeltern erfolgen sollte, sondern lediglich ein Ausgleich für einen möglichen Zugewinn geschaffen wurde. Für die Berechnung der Erbquote des überlebenden Ehepartners bei Vorhandensein von Großeltern ist daher zunächst die Erbquote nach Abs. 1 S. 1 zu bestimmen (½), diese ist um das pauschale Viertel zu erhöhen (ergibt ¾) und dann sind erst diejenigen Erbteile, die eigentlich auf die Abkömmlinge der Großeltern fallen würden, hinzuzuaddieren. So ist gewährleistet, dass der noch lebende Großelternteil seine Erbquote auch beim gesetzlichen Güterstand erhält.
Rz. 11
Der pauschal erhöhte Erbteil ist kein besonderer bzw. selbstständiger Erbteil, sondern ein einheitlicher. Hinsichtlich des Ausbildungsanspruchs eines Stiefabkömmlings ist er allerdings wie ein gesonderter Erbteil zu behandeln (vgl. Rdn 13).
b) Güterrechtsstatut
Rz. 12
Strittig ist, ob die Vorschriften der § 1931 Abs. 3 i.V.m. § 1371 BGB international privatrechtlich als erbrechtlich oder güterrechtlich zu qualifizieren sind. Teilweise wird von einer erbrechtlichen und güterrechtlichen Doppelqualifikation ausgegangen. Eine Erbteilserhöhung erfolgt danach nur, wenn deutsches Güterrecht und deutsches Erbrecht zur Anwendung kommen. Nach Auffassung des OLG München findet hingegen eine Erbteilserhöhung z.B. bei Zusammentreffen deutschen Güterrechtsstatuts und iranischen Erbstatuts statt. Der BGH hat schließlich in seiner Entscheidung vom 13.5.2015 die Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB güterrechtlich qualifiziert. Für Erbfälle seit dem 17.8.2015 kommt die Frage hinzu, inwieweit die Einstufung des § 1371 Abs. 1 BGB erbrechtlich erfolgt und damit vom Zugriff der EuErbVO erfasst wird. Der EuGH hat in seinem Urt. v. 1.3.2018, anders als der BGH, klargestellt, dass § 1371 Abs. 1 BGB erbrechtlich zu qualifizieren ist und vom Anwendungsbereich der EuErbVO erfasst wird. Der erhöhte Erbteil ist daher im Europäischen Nachlasszeugnis auszuweisen.
Vgl. im Übrigen zum anwendbaren Güterrecht nach dem Inkrafttreten der Europäischen Güterrechtsverordnung ab dem 29.1.2019 Rdn 40.
c) Ausbildungsanspruch des Stiefabkömmlings (§ 1371 Abs. 4 BGB)
aa) Voraussetzung
Rz. 13
I.R.d. erbrechtlichen Lösung ist bei der Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehepartners zu beachten, dass der zusätzliche Erbteil (pauschale Zugewinn) durch einen Ausbildungsanspruch eines Stiefabkömmlings nach § 1371 Abs. 4 BGB, bei dem es sich um ein gesetzliches Vermächtnis handelt, belastet sein kann. Der zusätzliche Erbteil nach § 1371 Abs. 1 BGB kann daher nach § 1371 Abs. 4 BGB eine Ausbildungsfinanzierungspflicht der vom Erblasser stammenden Kinder mit sich bringen. Ein Ausbildungsanspruch nach § 1371 Abs. 4 BGB ist allerdings ausgeschlossen, wenn der überlebende Ehepartner Testamentserbe oder Vermächtnisnehmer wird. Berechtigt nach § 1371 Abs. 4 BGB sind die Abkömmlinge des verstorbenen Ehegatten, die nicht aus der durch den Tod aufgelösten Ehe stammten, sofern sie im konkreten Fall zur Erbschaft berufen sind. Voraussetzung ist demnach, dass zwischen den Stiefabkömmlingen und den überlebenden Ehegatten eine Erbengemeinschaft aufgrund gesetzlichen Erbrechts besteht. Ferner ist Voraussetzung für den Anspruch, dass eine Ausbildungsbedürftigkeit vorliegt, der Abkömmling also außer Stande ist, seine Ausbildung mit eigenen Mitteln zu finanzieren.