a) Zugewinnausgleich und Pflichtteil
Rz. 16
I.R.d. gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft muss der überlebende Ehepartner sich mit einer sog. pauschalen Abgeltung eines möglichen Zugewinnausgleichsanspruchs nicht abfinden lassen. Ihm steht nach § 1371 Abs. 3 BGB die Möglichkeit zu, den Erbteil (sei es der kraft gesetzlicher Erbfolge oder der testamentarisch zugewandte Erbteil) innerhalb der Frist des § 1944 BGB auszuschlagen und seinen konkreten Zugewinnausgleichsanspruch nach den Regeln der §§ 1372–1390 BGB sowie einen sog. "kleinen" Pflichtteil geltend zu machen. Normzweck des § 1371 Abs. 3 BGB ist, dass der Ehegatte einen Pflichtteilsanspruch entgegen dem bei Ausschlagung ansonsten üblichen Verlust behält, wenn er seinen Zugewinnausgleichsanspruch realisieren will. Dem Pflichtteil steht nicht entgegen, dass die Eheleute längere Zeit getrennt gelebt haben, da nur eine wirksame Eheschließung, nicht aber das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft vorausgesetzt wird. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass der Zugewinnausgleich einer Teilhabe an dem während der Ehe erwirtschafteten Vermögen dienen soll, so dass eine ungewöhnlich lange Trennungszeit i.R.d. Gesamtwürdigung eines Zugewinnausgleichs dann zu berücksichtigen ist (§ 1381 BGB), wenn der Erblasser sein Endvermögen bspw. erst nach der Trennung und ohne jegliches Zutun des Ehepartners erwirtschaftet hat, da in einem solchen Fall jegliche innere Beziehung des Vermögens zur ehelichen Lebensgemeinschaft fehlt. Der Grund für das Scheitern der Ehe ist hingegen kein Anlass, eine Ausgleichsforderung wegen grober Unbilligkeit nach § 1381 BGB zu versagen. Zu berücksichtigen ist i.R.d. (taktischen) Ausschlagung nach § 1371 Abs. 3 BGB insbesondere die Anrechnung nach § 1380 Abs. 1 BGB, die Stundungsmöglichkeit nach § 1382 BGB und das Leistungsverweigerungsrecht des Erben nach § 1381 BGB.
b) Ausschlagung von Erbteil und Vermächtnis
Rz. 17
Damit es zur güterrechtlichen Lösung kommt, muss der überlebende Ehepartner nicht nur den Erbteil ausschlagen, sondern es darf ihm auch kein Vermächtnis zustehen, d.h., dieses muss ebenfalls ausgeschlagen werden. So scheidet ein Zugewinnausgleichsanspruch aus, wenn dem Ehepartner durch Vermächtnis ein Nachlassgegenstand oder ein Nutzungsrecht zugewandt wurde, und zwar unabhängig davon, welchen Wert dieses Vermächtnis hat. Dem überlebenden Ehegatten steht daher die güterrechtliche Lösung nur dann zu, wenn er neben der Erbeinsetzung auch jedwede Vermächtniszuwendung ausgeschlagen hat, auch wenn es sich um eine geringwertige Zuwendung handelt.
c) Nachlassverbindlichkeit und "kleiner" Pflichtteil
Rz. 18
Bei dem auszugleichenden Zugewinnausgleichsanspruch handelt es sich um eine Nachlassverbindlichkeit, die insbesondere Vermächtnissen und Pflichtteilsansprüchen vorgeht, was aus Sicht der Haftungsreihenfolge für Nachlassverbindlichkeiten nicht unbedeutend ist. Allerdings berechnet sich der sog. "kleine" Pflichtteilsanspruch aus dem um den Zugewinnausgleichsanspruch reduzierten Nachlass.
d) Prozessuales bei der güterrechtlichen Lösung
Rz. 19
Bei der Geltendmachung des "kleinen" Pflichtteils und des konkreten Zugewinnausgleichsanspruchs ist für die Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs das FamG zuständig. Für den Pflichtteilsanspruch gilt hingegen der besondere Gerichtsstand der Erbschaft nach § 27 Abs. 1 ZPO oder der allg. Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO), da § 27 ZPO keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründet. Macht der Ehepartner zunächst einen vermeintlich "großen" Pflichtteilsanspruch klageweise geltend, so ist die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs dadurch nicht gehemmt. Auch die im Rahmen einer Klage auf Rückgängigmachung einer fälschlicherweise erfolgten Erbauseinandersetzung erhobene Widerklage auf Zustimmung zum Teilungsplan unterbricht die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Ehegatten auch dann nicht, wenn zur Begründung der Widerklage auf den Zugewinnausgleichsanspruch Bezug genommen wird.