I. Deutsches Erbrecht
Rz. 2
Die Vorschrift des § 1936 BGB findet nur Anwendung, wenn nach den Regeln des Internationalen Privatrechts deutsches Erbrecht gilt. Nach bisher geltendem Recht war in erster Linie die Staatsangehörigkeit des Erblassers maßgeblich. Seit Inkrafttreten der EuErbVO, die für Erbfälle nach dem 16.8.2015 anzuwenden ist, entscheidet in erster Linie der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes über das anwendbare Recht. Der Erblasser hat jedoch hiervon abweichend auch die Möglichkeit der Rechtswahl. Es ist ihm gestattet, durch Verfügung von Todes wegen das Recht seiner Staatsangehörigkeit zu wählen. Kommt ausländisches Erbrecht zur Anwendung, gilt dies auch bei einem erbenlosen Nachlass. Gem. §§ 21 Abs. 1, 22 EuErbVO gilt ausländisches Erbrecht, sofern der Erblasser eine Rechtswahl zugunsten seiner ausländischen Staatsangehörigkeit getroffen hat oder er zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem ausländischen Staat hatte. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem ausländischen Staat um einen Mitgliedstaat oder einen Drittstaat handelt. Nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO kann auch dann, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, ausländisches Erbrecht Anwendung finden, sofern der Erblasser zu einem anderen Staat eine offensichtlich engere Bindung hatte. In den Fällen, in denen ausländisches Erbrecht zur Anwendung gelangt, greift die Vorschrift des § 1936 BGB nicht ein. Sieht das ausländische Erbrecht ein gesetzliches Erbrecht des Staates vor, ist dieses auch vom deutschen Staat anzuerkennen. Kommt ausländisches Erbrecht zur Anwendung, so ist für Erbfälle ab dem 17.8.2015 die Regelung in § 32 IntErbRVG i.V.m. Art. 33 EuErbVO zu beachten. Danach kann im Einzelfall ein Fiskus-Aneignungsrecht bestehen.
II. Voraussetzungen des Erbanfalls
Rz. 3
Nur dann, wenn weder ein Verwandter noch ein Lebenspartner oder Ehegatte vorhanden ist, ist der Staat zum gesetzlichen Erben berufen. D.h., dass selbst das Erbrecht der entferntesten Verwandten dem Erbrecht des Staates vorgeht. Es handelt sich lediglich um ein Noterbrecht. "Vorhanden sein" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Erbfähigkeit und Erbberechtigung vorliegen. Daraus folgt, dass ein Vorhandensein zu verneinen ist, wenn die Verwandten und der Ehegatte bzw. Lebenspartner einen Erbverzicht erklärt haben, enterbt sind, ein vorzeitiger Erbausgleich erfolgt ist (ein derartiger vorzeitiger Erbausgleich muss vor dem 1.4.1998 rechtsgültig zustande gekommen sein, Art. 227 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB), eine Erbunwürdigkeitserklärung vorliegt oder die Ausschlagung erklärt worden ist und die vorbezeichneten Personen aus den vorgenannten Gründen nicht gesetzliche Erben werden, desgleichen bei Ehe- oder Partnerschaftsauflösung (§ 1933 BGB, § 15 LPartG). Das gesetzliche Staatserbrecht ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Rechte nicht mehr vorhandener Erben durch Nachfolgeorganisationen wahrgenommen werden (REG Art. 10).
Rz. 4
Hat der Erblasser nur über einen Teil des Nachlasses testamentarisch verfügt, beschränkt sich die gesetzliche Erbfolge des Staates lediglich auf einen Bruchteil. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Erben weggefallen sind und eine Anwachsung nicht erfolgt.
Rz. 5
Gem. § 2105 BGB kann der Fiskus auch als Vorerbe berufen sein, gesetzlicher Nacherbe kann er jedoch gem. § 2104 S. 2 BGB nicht sein. Auch eine Berufung des Fiskus zum Vermächtnisnehmer ist nicht möglich, § 2149 S. 2 BGB. Das gesetzliche Erbrecht kann nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass der Erblasser lediglich eine Negativverfügung verfasst, ohne gleichzeitig einen Erben zu bestimmen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1938 BGB, der lediglich regelt, dass ein Verwandter, der Ehegatte oder der Lebenspartner von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden kann. Nach Landesrecht kann dem Staat im Hinblick auf den Nachlass einer verpflegten oder unterstützten Person über die Vorschrift des § 1936 BGB hinaus ein Erbrecht zustehen (siehe Erlasse und Kommentierung zu Art. 139 EGBGB).
Rz. 6
Auch gegenüber dem Staatserbrecht gilt der Vorrang der gewillkürten Erbfolge. Sämtliche eingesetzten Erben gehen dem Staat stets vor. Enthält eine letztwillige Verfügung lediglich Vermächtnisse und Auflagen, wird der Staat gesetzlicher Erbe, sofern Erben fehlen bzw. diese durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Der Staat erbt auch dann, wenn aus dem Testament der Wille des Erblassers hervorgeht, dass im Falle des Vorversterbens der eingesetzten Erben keiner aus der Verwandtschaft etwas erben soll.
Rz. 7
Die Erbschaft geht auch auf den Fiskus im Wege des Von-Selbst-Erwerbs über. E...