I. Typenzwang und Wahlfreiheit

 

Rz. 10

Das Gesetz zählt in den §§ 19371940 BGB nur die wichtigsten Inhalte letztwilliger Verfügungen auf. Diese Regelungen haben jedoch keinen abschließenden Charakter.[11] Auch das vierte Buch des BGB (Familienrecht) nennt zahlreiche weitere Anordnungen, die durch letztwillige Verfügungen getroffen werden können. Aus der Einzelaufzählung ergibt sich allerdings, dass Verfügungen beliebigen Inhalts nicht getroffen werden können. Es sind nur solche Verfügungen möglich, die entweder ihrer Art nach ausdrücklich im Gesetz geregelt sind, oder aber solche, die aufgrund Auslegung oder Analogie dem Gesetz als zulässig zu entnehmen sind.[12] Nach Ansicht des RG[13] "unterliege der Inhalt letztwilliger Verfügungen keinen anderen als den sich aus dem Gesetz ergebenden Einschränkungen". Diese Formulierung ist missverständlich. Vielmehr kann von einem Typenzwang gesprochen werden.[14] Auf Grund des Typenzwangs ist es z.B. nicht möglich, einer anderen Person als dem oder den Erben einen Gegenstand mit dinglicher Wirkung zuzuwenden. Im Erbrecht gilt das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge. Ein Vermächtnis ist nur mit obligatorischer, nicht jedoch mit dinglicher Wirkung zugelassen (§ 2174 BGB). Es ist nicht möglich, einen Pflichtteilsanspruch aufgrund anderer als den in den §§ 2333 ff. BGB genannten Gründen auszuschließen.

 

Rz. 11

Dem Erblasser ist es selbst überlassen zu bestimmen, welche und wie viele letztwillige Verfügungen er in sein Testament aufnehmen möchte. Ein Testament muss nicht unbedingt eine Erbeinsetzung enthalten. Der Erblasser kann auch lediglich Vermächtnisse anordnen oder letztwillige Verfügungen mit auflösenden oder aufschiebenden Bedingungen verknüpfen (vgl. hierzu §§ 2074, 2075 BGB).[15] Werden Wertsicherungsklauseln in ein Testament aufgenommen, sind die währungsrechtlichen Genehmigungserfordernisse zu beachten.[16]

[11] OLG Frankfurt NJW 1950, 607; Soergel/Stein, § 1937 Rn 3.
[12] MüKo/Leipold, § 1937 Rn 10.
[13] RGZ 100, 76, 77.
[14] MüKo/Leipold, § 1937 Rn 10 BeckOGK/Tegelkamp, § 1937 BGB Rn 21; Kipp/Coing, § 20 I; Staudinger/Otte (2017), Vor §§ 1937–1941 Rn 14.
[15] BayObLGZ 1993, 248, 251.
[16] v. Oertzen, ZEV 1994, 160.

II. Erbrechtliche Anordnungen

1. Einsetzung zum Erben

 

Rz. 12

Der Erblasser kann eine oder mehrere Personen zu seinem/seinen Erben bestimmen. Des Weiteren ist es möglich, eine Person zum Vorerben und dessen Abkömmlinge oder sonstige dritte Personen zu Nacherben einzusetzen (§ 2100 BGB). Für den Fall, dass eine zum Erben bestimmte Person – gleichviel aus welchem Grunde – nicht zur Erbfolge gelangt, können Ersatzerbenregelungen (§ 2096 BGB) getroffen werden. Der Erblasser ist weiter berechtigt, durch Testament einen Verwandten und/oder seinen Ehegatten von der Erbfolge auszuschließen (§ 1938 BGB, vgl. § 1938 Rdn 1 ff.). Die im Wege einer letztwilligen Verfügung bedachten Personen müssen individualisierbar sein. Aber auch dann, wenn der Erblasser formuliert, Erbe soll A oder B sein, kann der Erbe feststehen. Dies ist dann der Fall, wenn die Auslegung ergibt, dass die zuletzt genannte Person Ersatzerbe sein soll.[17]

[17] BayObLG NJW 1999, 1118; BayObLG NJW 1999, 1119.

2. Rechtswahl

 

Rz. 13

Aufgrund der Regelung des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO kann der Erblasser das Recht des Staates wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Erbfalls angehört. Diese Rechtswahl ist nur hinsichtlich des gesamten Nachlasses möglich. Art. 22 Abs. 2 EuErbVO schreibt vor, dass die Rechtswahl ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben muss. Die Vorschrift des Art. 24 Abs. 2 EuErbVO lässt eine auf die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen beschränkte Rechtswahl zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit ausdrücklich zu. Daneben regelt Art. 25 Abs. 3 EuErbVO, dass es den Parteien eines Erbvertrags erlaubt ist, hinsichtlich der Zulässigkeit, der materiellen Wirksamkeit und der Bindungswirkungen eines Erbvertrags das Recht der Staatsangehörigkeit einer der Parteien zu wählen. Die EuErbVO ist am 16.8.2012 in Kraft getreten und gilt für alle Erbfälle ab dem 17.8.2015.

Das vor dem 17.8.2015 maßgebliche Kollisionsrecht ist entscheidend für die Frage, ob der Erblasser eine wirksame Rechtswahl getroffen hat oder nicht, sofern diese vor dem 17.8.2015 erfolgte. Hat der Erblasser eine Rechtswahl getroffen oder eine Verfügung von Todes wegen errichtet und geschah dies noch vor dem Stichtag, so kann die Rechtswahl eine Rechtswirkung auch nach dem 17.8.2015 entfalten, sofern

1. der Erblasser rechtlich einwandfrei eine Rechtswahl getroffen hat oder eine Verfügung von Todes wegen hat errichten lassen, und das nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden IPR-Vorschriften seines Heimatlandes oder Ortes seines gewöhnlichen Aufenthalts, oder
2.

wenn die Rechtswahl oder die Verfügung von Todes wegen rechtlich einwandfrei aufgrund der in Kapitel III der VO enthaltenen Kollisionsnormen ist.

Art 25 Abs. 2 EGBGB gab dem Erblasser die Möglichkeit, in seinem Testament zu reg...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge