Rz. 11
Die Berechnung der Ausschlagungsfrist richtet sich nach §§ 187 Abs. 1, 188, 193 BGB. Gem. Abs. 3 unter Verweis auf die allg. Verjährungsvorschriften der §§ 206 und 210 BGB kann der Fristablauf jedoch gehemmt sein. Der Erblasser kann in seiner letztwilligen Verfügung über die Anwendung der Verjährungsvorschriften nicht disponieren, auch Abs. 3 ist zwingendes Recht.
1. Hemmung bei höherer Gewalt (§ 206 BGB)
Rz. 12
Nach der entsprechenden Anwendung von § 206 BGB i.V.m. § 209 BGB wird in die laufende Ausschlagungsfrist derjenige Zeitraum nicht eingerechnet, in dem der vorläufige Erbe aufgrund höherer Gewalt an der Erklärung der Ausschlagung gehindert ist. Die Hinderungsgründe müssen vor dem Ende der Ausschlagungsfrist eingesetzt haben. Im Ergebnis verlängert sich daher die Ausschlagungsfrist um den Zeitraum der höheren Gewalt.
Rz. 13
Ist der vorläufige Erbe aufgrund höherer Gewalt bereits gehindert, von dem Anfall der Erbschaft und dem Berufungsgrund Kenntnis zu nehmen, so hindert dies schon den Beginn des Laufes der Ausschlagungsfrist. Wird der Hinderungsgrund beseitigt, so bedarf es nicht erneut der Erfüllung der Voraussetzungen für den Fristbeginn nach Abs. 2.
Rz. 14
Unter den Begriff der "höheren Gewalt" fallen Ereignisse, die auch bei äußerster, billigerweise zu erwartender Sorgfalt nicht vorausgesehen und verhindert werden konnten; nach wie vor soll auch der Stillstand der Rechtspflege diesen Tatbestand erfüllen. Als "höhere Gewalt" sind in Bezug auf ausschlagungsspezifische Umstände z.B. Verzögerungen bei ordnungsgemäß und rechtzeitig beantragter Entscheidung des Familien- bzw. Betreuungsgerichts nach §§ 1643 Abs. 2, 1822 Nr. 2, 1908i, 1915 BGB anerkannt. In der Praxis ist dabei zu beachten, dass der Zugang der Ausschlagungserklärung beim Nachlassgericht und die Beantragung der Genehmigung des Familien- bzw. Betreuungsgerichts durch den gesetzlichen Vertreter binnen der Ausschlagungsfrist erfolgen müssen. Ist die Genehmigung des Familien- bzw. Betreuungsgerichts dann dem gesetzlichen Vertreter mittels Genehmigungsbescheid mit Rechtskraftzeugnis bekannt gemacht (§§ 40 Abs. 2, 46 FamFG), verbleibt dem gesetzlichen Vertreter für die Vorlage der Genehmigung beim Nachlassgericht noch der Zeitraum zwischen Antragstellung auf Genehmigung und ursprünglichem Fristablauf. Eine weitere Verlängerung der Frist durch den zusätzlichen Zeitraum der Übermittlung der Genehmigung an das Nachlassgericht kommt nicht in Betracht.
2. Ablaufhemmung bei nicht voll Geschäftsfähigen (§ 210 BGB)
Rz. 15
Nach § 210 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB analog beginnt bei einem nach Kenntnis vom Anfall der Erbschaft geschäftsunfähig gewordenen oder bei einem in der Geschäftsfähigkeit beschränkten vorläufigen Erben, der während der Ausschlagungsfrist nicht durchweg gesetzlich vertreten gewesen ist (Eltern, Vormund, Betreuer oder Pfleger), das Recht zur Ausschlagung mit dem Zeitpunkt erneut, in dem der Erbe unbeschränkt geschäftsfähig oder der Mangel der Vertretung behoben wird. Das gilt auch dann, wenn der gesetzliche Vertreter nur für einen kürzeren Zeitraum als den der Ausschlagungsfrist fehlte. Das Fehlen des gesetzlichen Vertreters muss aber innerhalb der Ausschlagungsfrist vorgelegen haben. § 210 Abs. 1 BGB soll verhindern, dass eine nicht voll geschäftsfähige Person Rechtsnachteile erleidet, weil kein gesetzlicher Vertreter für eine rechtzeitige Wahrnehmung der Rechte sorgen kann. Ein tatbestandliches Fehlen des gesetzlichen Vertreters ist deshalb nicht schon bei Krankheit oder Unkenntnis des gesetzlichen Vertreters gegeben, sondern nur für den Fall des wirklichen Fehlens. War der vorläufige Erbe bereits im Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Erbanfall geschäftsunfähig und war er nicht ausreichend gesetzlich vertreten oder erfolgte die Kenntnisnahme nicht durch den gesetzlichen Vertreter, so ist Abs. 2 S. 3 nicht anwendbar, da die Frist mangels positiver Kenntnis überhaupt noch nicht begonnen hat. Entsteht der Mangel in der Geschäftsunfähigkeit dagegen erst nach wirksamer Kenntnisnahme, so bedarf es dagegen keiner erneuten Kenntnisnahme. § 210 Abs. 2 BGB ist nicht entsprechend anwendbar. Stirbt der Erbe vor Fristablauf, ist § 1952 Abs. 2 BGB einschlägig.