Rz. 48
Mit der Bestellung wird der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter des oder der Erben, es entsteht so ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Nachlasspfleger und dem oder den Erben. Durch die Anordnung der Nachlasspflegschaft verliert der Erbe weder seine Verpflichtungsfähigkeit noch seine Verfügungsmacht (siehe schon Rdn 34).
Rz. 49
Der Umfang der Vertretungsmacht bestimmt sich nach dem durch das Nachlassgericht angeordneten Wirkungskreis, der auch in der Bestallungsurkunde aufgenommen wird. Als umfassender Wirkungskreis wird grundsätzlich die "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der unbekannten Erben" angeordnet. Möglich ist jedoch, dass das Nachlassgericht bei der Bestellung die Vertretungsmacht einschränkt (vgl. z.B. § 1961 Rdn 17).
Rz. 50
Die Pflegschaft als solche sowie einzelne Tätigkeiten, die den persönlichen Einfluss des Pflegers erfordern, sind nicht übertragbar. Soweit das nicht der Fall ist, kann sich der Pfleger Hilfspersonen bedienen und Aufgaben anderen Personen übertragen (zur Beauftragung eines gewerblichen Erbenermittlers vgl. Rdn 67).
Rz. 51
Als gesetzlicher Vertreter des Erben kann der Nachlasspfleger für den Nachlass aktiv Prozesse führen. Im Hinblick auf Abs. 3, wonach die Vorschrift des § 1958 BGB auf den Nachlasspfleger keine Anwendung findet, steht dem Nachlasspfleger auch die passive Prozessführungsbefugnis zu. Der Prozessführungsbefugnis steht nicht entgegen, dass die Nachlasspflegschaft nicht eigens zu diesem Zweck angeordnet wurde (siehe Rdn 35). Die Stellung als gesetzlicher Vertreter des oder der Erben schließt nicht aus, dass der Nachlasspfleger persönlich die Rolle einer Prozesspartei wahrnimmt und als Kläger zum Nachlass gehörige Rechte einklagt. Das ist zur Vermeidung eines unzulässigen Insich-Prozesses sogar geboten, wenn die in Anspruch genommene Gegenpartei selbst als Erbe in Betracht kommt.
Rz. 52
In einem von dem Nachlasspfleger als gesetzlichem Vertreter geführten Rechtsstreit steht der Erbe nach § 53 ZPO einer nicht prozessfähigen Person gleich. Er kann also selbst keine Prozesshandlungen vornehmen, ihm gegenüber können auch solche nicht vorgenommen werden. Gleichwohl bleibt der Erbe Partei des Rechtsstreits. Ein in einem von dem Nachlasspfleger geführten Rechtsstreit ergangenes Urteil wirkt daher gem. § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den vertretenen endgültigen Erben. Will der inzwischen bekannte Erbe aus dem vom Nachlasspfleger erstrittenen Urteil vollstrecken, so ist die Vollstreckungsklausel ohne Anwendung der §§ 727, 730 ZPO auf ihn umzustellen. Im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung in § 780 Abs. 2 ZPO ist der Vorbehalt einer beschränkten Haftung für Urteile gegen den Nachlasspfleger nicht notwendig. Wird die Nachlasspflegschaft während eines anhängigen Rechtsstreits aufgehoben, so treten die Erben in den Rechtsstreit ein, ohne dass es einer Aussetzung oder Unterbrechung des Verfahrens bedarf. Denn ihre Stellung als Partei wird weder durch die Anordnung noch durch die Aufhebung der Nachlasspflegschaft berührt.
Rz. 53
Für den Rechtsstreit, den der Nachlasspfleger für den unbekannten Erben führt, kann Prozesskostenhilfe gem. den §§ 114 ff. ZPO beantragt und bewilligt werden. Ein entsprechender Antrag ist vom Nachlasspfleger zu stellen. Für die Frage der Unfähigkeit, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, ist nicht auf die – nicht feststellbaren – Vermögensverhältnisse unbekannter Erben, sondern auf den Bestand des Nachlasses abzustellen. Hierfür ist entscheidend, dass eine Anknüpfung an die Vermögensverhältnisse des Erben einer Rechtsverweigerung gleichkäme, da es dem Nachlasspfleger bei unbekanntem Erben unmöglich ist, Angaben über dessen Vermögensverhältnisse zu machen. Abzulehnen ist die Auffassung des LG Kleve, wonach die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit dann nicht in Betracht komme, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung des die unbekannten Erben vertretenden Nachlasspflegers nicht geeignet ist, die Überschuldung des Nachlasses zu beseitigen. Das LG Kleve führt zur Begründung an, dass die Realisierung der eingeklagten Forderung wirtschaftlich nur den Nachlassgläubigern zugutekomme, in deren Interesse der Nachlasspfleger aber gerade nicht tätig werde. Insoweit verkennt das Gericht jedoch, dass der Nachlasspfleger Mittel für den Nachlass erstreitet, die zur Abdeckung der Pflegschaftskosten (Gerichtskosten, Nachlasspflegervergütung) verwendet werden können. Dadurch kann die Staatskasse entlastet werden. Des Weiteren wird nicht beachtet, dass die Sicherung des Nachlasses vordringlichste Aufgabe des Nachlasspflegers ist. Hierzu gehört die Einforderung von Forderungen, die notfalls gerichtlich durchzusetzen ist. Dies gilt insbesondere in den praktisch häufigen Fällen, in denen der Nachlasspfleger zur Unterbrechung einer drohenden Verjährung eine Forderung rechtshängig machen muss, bevor die Vermögensverhältnisse des Nachlasses in der Gesamthe...