Rz. 59
Das Aufgabenspektrum des Nachlasspflegers bzgl. der Nachlasssicherung und -verwaltung ist groß; bei der Vornahme von Handlungen hat er sich von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten leiten zu lassen. Dabei hat er seine Entscheidungen pflichtgemäß zu treffen, im Falle eines Pflichtverstoßes haftet er gegenüber dem vertretenen Erben (vgl. § 1833 BGB und § 1985 Rdn 16 f.).
Rz. 60
Voraussetzung für die Nachlasssicherung und -verwaltung ist zunächst, dass der Nachlasspfleger den Nachlass in Besitz nimmt (dabei übt der Nachlasspfleger das Besitzergreifungsrecht des Erben an dessen Stelle aus, so dass verbotene Eigenmacht des Nachlasspflegers nicht in Betracht kommt). Hat bereits eine andere Person Besitz am Nachlass ergriffen, etwa ein Miterbe, so muss der Nachlasspfleger für die von ihm vertretenen unbekannten Miterben die Herausgabe des Mitbesitzes durch Klage geltend machen. Umstritten ist, ob sich ein diesbezüglicher Anspruch aus § 2018 BGB oder unmittelbar aus dem Recht des Nachlasspflegers und damit aus § 1960 BGB ergibt. Nach der Rspr. kann der Nachlasspfleger die Rolle der Prozesspartei persönlich wahrnehmen und die zum Nachlass gehörenden Rechte einklagen. Das ist durch die Stellung als gesetzlicher Vertreter des oder der Erben nicht ausgeschlossen. Der Anspruch etwa auf Herausgabe leitet sich in diesem Fall nicht vom Erben ab, sondern folgt unmittelbar aus der Rechtsstellung als Nachlasspfleger (Partei kraft Amtes). Deshalb kann der Nachlasspfleger auch gegen Personen vorgehen, die vorgeben, Erbe zu sein, deren Erbrecht aber noch nicht endgültig geklärt ist. Demgegenüber kann sich der Erbanwärter grundsätzlich nicht auf sein Erbrecht berufen, dieses hat vielmehr hinter das Fürsorgeinteresse zurückzutreten. Allerdings ist die Rechtsposition des Nachlasspflegers insoweit nicht unbegrenzt. Ein Herausgabeanspruch steht ihm nicht zu, wenn das Erbrecht des Erbanwärters rechtskräftig festgestellt ist sowie hinsichtlich von Wohnräumen, die dem Erbanwärter überlassen worden sind und die er selbst nutzt. Insofern tritt die dem Nachlassgericht und dem von ihm bestellten Nachlasspfleger obliegende Fürsorge für den Nachlass hinter das verfassungsrechtlich geschützte Interesse des (möglichen) Erben an seiner Wohnung (Art. 13 GG) zurück. Dies entspricht der sonstigen Zurückhaltung der Rechtsordnung hinsichtlich der Zulässigkeit von Eingriffen in die Wohnung zum Zweck vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. § 940a ZPO).
Rz. 61
Dem Herausgabeverlangen des Nachlasspflegers kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden, wenn die Voraussetzungen der Nachlasspflegschaft nicht vorliegen.
Rz. 62
Gegen Personen, die Nachlassgegenstände in Besitz haben, hat der Nachlasspfleger einen Auskunftsanspruch aus § 260 BGB; zur Auskunft verpflichtet sind entsprechend § 2027 BGB darüber hinaus auch solche Personen, die Nachlassgegenstände in Besitz gehabt haben. Gegen Versicherer steht dem Nachlasspfleger ein Anspruch auf Auskunft über die Identität des Bezugsberechtigten zu.
Rz. 63
Der Nachlasspfleger hat ein Nachlassverzeichnis anzufertigen und es dem Nachlassgericht einzureichen (§§ 1802, 1915 Abs. 1 S. 1 BGB).
Rz. 64
Der genaue Inhalt der Verwaltungstätigkeit ist Sache der im Einzelfall zu beurteilenden Zweckmäßigkeit. In Betracht kommen etwa die Kündigung von Mietverträgen, die Auflösung einer Wohnung wie auch die Fortführung eines Betriebs. I.R.d. Nachlassverwaltung kann der Nachlasspfleger auch Verbindlichkeiten eingehen, für welche die Erben unbeschränkt, aber beschränkbar haften.
Rz. 65
Steuerschulden muss der Nachlasspfleger gem. § 34 Abs. 1 AO tilgen, ein Verstoß hiergegen kann zu einer persönlichen Haftung des Nachlasspflegers (§§ 34 Abs. 1, 69 AO) führen.
Rz. 66
Im Rahmen seines Aufgabenbereichs kann der Nachlasspfleger auch das Aufgebot der Gläubiger (§ 455 Abs. 2 FamFG) sowie die Einleitung eines Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 317 Abs. 1 InsO) beantragen. Im Nachlassinsolvenzverfahren nimmt der Nachlasspfleger Rechte und Pflichten des noch nicht feststehenden Erben-Insolvenzschuldners wahr.
Den Nachlasspfleger trifft keine generelle Pflicht zur Umschichtung von nicht mündelsicheren Kapitalanlagen des Erblassers in mündelsichere. Nach Einholung einer Risikobewertung durch ein Kreditinstitut kann der Nachlasspfleger ggf. Verkaufsaufträge mit Stop-Loss-Order erteilen. Hierzu bedarf es der nachlassgerichtlichen Genehmigung.