I. Maßnahmen zur Nachlasssicherung
1. Allgemeines
Rz. 17
Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen vor, besteht also Unsicherheit hinsichtlich der Erbfolge und ist ein Sicherungsbedürfnis gegeben, so ist das Nachlassgericht zur Sicherung des Nachlasses verpflichtet. Umgekehrt besteht auch eine Verpflichtung des Nachlassgerichts zur Aufhebung von Sicherungsmaßnahmen, wenn deren Anordnungsvoraussetzungen weggefallen sind.
Rz. 18
In Abs. 2 werden die wichtigsten Sicherungsmittel genannt. Hierbei handelt es sich um die Anlegung von Siegeln, die Hinterlegung von Wertsachen, die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses sowie die Anordnung einer Nachlasspflegschaft. Aus dem Gesetzestext wird deutlich, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Bei der Auswahl des Sicherungsmittels hat das Nachlassgericht Ermessen, wobei sich dessen Ausübung in erster Linie an den Interessen des/der Erben zu orientieren hat. Insoweit spielen etwa die Kosten der Nachlasssicherung, der Wert des Nachlasses wie auch Grad und Art der Gefährdung des Nachlasses eine Rolle.
Rz. 19
Der Umfang der nachlasssichernden Maßnahmen ist in Abhängigkeit von dem Sicherungsbedürfnis zu bestimmen. Die Maßnahmen erstrecken sich auf alle Gegenstände, die der Erblasser in Besitz gehabt hatte. Einwände dritter Personen, die Rechte an Gegenständen des Nachlasses geltend machen, bleiben unberücksichtigt, sofern die Berechtigung nicht offensichtlich ist. Diese haben die Möglichkeit, ihre Ansprüche im Wege der Klage gegen einen nach Abs. 2 bestellten oder einen nach § 1961 BGB zu bestellenden Nachlasspfleger vor dem Prozessgericht geltend zu machen.
Rz. 20
Zuständig für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist das Nachlassgericht bzw., sofern landesrechtlich etwas anderes bestimmt ist, die an dessen Stelle tretende Behörde.
2. Anlegung von Siegeln
Rz. 21
Die Anlegung von Siegeln wird durch das Nachlassgericht angeordnet. In der Praxis findet diese Maßnahme häufig Anwendung bei der Versiegelung der Wohnung des Erblassers. Zweckmäßig ist die Siegelung auch, wenn sich Nachlassgegenstände an verschiedenen Orten befinden und eine tatsächliche Inbesitznahme aufgrund der räumlichen Entfernung nicht schnell genug möglich ist.
Rz. 22
Die Durchführung der angeordneten Siegelung kann gem. § 35 Abs. 4 S. 2 FamFG i.V.m. § 892 ZPO notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden. Für die Anwendung von Gewalt bedarf es jedoch einer Anordnung des Nachlassgerichts. Eine richterliche Entscheidung ist, sofern nicht Gefahr im Verzug ist, auch erforderlich, wenn zur Durchführung der Sicherungsmaßnahme Räume Dritter betreten werden müssen und diese den Zutritt verweigern. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen allein schließt nicht die Befugnis zum Betreten fremder Räume ein.
3. Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten
Rz. 23
Die Hinterlegung nach § 1960 BGB richtet sich nach den landesrechtlichen Hinterlegungsgesetzen. Die für die Hinterlegung bisher geltende Hinterlegungsordnung ist mit Gesetz vom 23.11.2007 zum 1.12.2010 außer Kraft getreten.
Rz. 24
Die amtliche Inverwahrnahme kommt bspw. bei Bargeld, Sparbüchern, Schmuck, Edelmetallen, Wertpapieren oder sonstigen kleineren Wertgegenständen in Betracht. Werden solche Gegenstände bei der Ausführung der Siegelung (vgl. Rdn 21 f.) vorgefunden, sind diese von dem die Siegelung vornehmenden Beamten zu verzeichnen und in die amtliche Aufbewahrung zu verbringen.
Erfährt das Nachlassgericht auf anderem Wege vom Vorhandensein solcher Wertgegenstände und stellt ein Bedürfnis zur Sicherung fest, so kann es dem Besitzer die Herausgabe an das Nachlassgericht aufgeben. Die Durchführung seiner Anordnungen kann das Nachlassgericht mit Gewalt nach § 35 FamFG erzwingen.
4. Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses
Rz. 25
Die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses ist zweckmäßig, wenn bis zur Feststellung des wirklichen Erben Veränderungen des Nachlasses unvermeidlich sind.
Rz. 26
Im Hinblick auf Zweck und Inhalt ist das Nachlassverzeichnis gem. Abs. 2 vom Nachlassinventar nach §§ 1993 f. BGB sowie vom Bestandsverzeichnis, das ein Pflichtteilsberechtigter gem. §§ 260, 2314 BGB vom Erben verlangen kann, zu unterscheiden. Das Nachlassverzeichnis dient der Sicherung des Nachlasses, es genügt deshalb eine Aufstellung über die im Nachlass vorhandenen Aktiva. Das schließt allerdings die Aufnahme vor...