aa) Prozesspflegschaft
Rz. 35
Die Nachlasspflegschaft auf Antrag gem. § 1961 BGB stellt gleichfalls eine Nachlasspflegschaft dar. Auch die Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB kann nur in den Fällen des Abs. 1 angeordnet werden. Im Übrigen unterscheiden sich die beiden Rechtsinstitute jedoch vor allem darin, dass die Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB von Amts wegen angeordnet wird, während die Nachlasspflegschaft gem. § 1961 BGB einen Antrag des Berechtigten auf Bestellung eines Nachlasspflegers zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines gegen den Nachlass gerichteten Anspruchs voraussetzt. Allerdings hat auch bei der Nachlasspflegschaft auf Antrag der Nachlasspfleger die Interessen des Nachlasses bzw. der Erben zu wahren und darf sich, sofern die Pflegschaft nicht zulässigerweise allein die Erledigung eines Rechtsstreits zum Inhalt hatte, nicht auf die Befriedigung des antragstellenden Nachlassgläubigers beschränken (siehe § 1961 Rdn 16 f.).
bb) Pflegschaft für die Leibesfrucht
Rz. 36
Die Nachlasspflegschaft ist ihrer Hauptzwecksetzung nach auf die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses u.a. für den Fall ausgerichtet, dass der Erbe unbekannt ist. Unbekannt i.S.d. Abs. 1 kann auch ein zum Erben berufener nasciturus sein (siehe Rdn 9). Die Pflegschaft für eine Leibesfrucht dient nach § 1912 Abs. 1 BGB der Wahrung ihrer künftigen Rechte, soweit diese einer Fürsorge bedürfen. Beide Rechtsinstitute haben einen gemeinsamen Anwendungsbereich, wenn ein ungeborenes Kind zum Erben berufen ist. Trotz ihrer unterschiedlichen Zweckrichtung schließen sich die jeweiligen Pflegschaften jedoch nicht aus, sondern können nebeneinander angeordnet werden. Aus praktischen Gründen ist es möglich, dass das Nachlassgericht den bestellten Pfleger gleichzeitig zum Nachlasspfleger bestellt.
cc) Abwesenheitspflegschaft
Rz. 37
Die Abwesenheitspflegschaft i.S.d. § 1911 BGB ist auf die Fürsorge der vermögensrechtlichen Angelegenheiten von bekannten, jedoch abwesenden volljährigen Personen ausgerichtet. Eine Überschneidung mit der Nachlasspflegschaft ist etwa denkbar, wenn die abwesende Person zum Erben berufen ist und die Erbschaftsannahme nicht gewiss ist. Dies wird zumindest dann der Fall sein, wenn bei Eintritt des Erbfalls für den Abwesenden weder eine Lebens- noch eine Todesvermutung spricht. In einem solchen Fall kommt nur die Anordnung einer Nachlasspflegschaft in Betracht.
dd) Pflegschaft für unbekannte Beteiligte
Rz. 38
Die Pflegschaft gem. § 1913 BGB betrifft die Fürsorge für einen bei einer Angelegenheit unbekannten Beteiligten. Für den Fall des Unbekanntseins des Erben regelt § 1960 BGB einen besonderen Fall der Pflegschaft für unbekannte Beteiligte, insoweit geht diese Regelung der Pflegschaft nach § 1913 BGB als lex specialis vor. Fehlt es an einer Voraussetzung des § 1960 BGB, dann kann bei Vorliegen der maßgebenden Voraussetzungen die Anordnung einer Pflegschaft für unbekannte Beteiligte nach § 1913 BGB in Betracht kommen; das ist etwa der Fall, wenn Ungewissheit darüber besteht, wer unter mehreren Personen als Erbe anzusehen ist. So gehört es nicht zu den Aufgaben eines Nachlasspflegers, zu klären, wer von mehreren Erbanwärtern der wirkliche Erbe ist. Hier kann bei Unbekanntsein von möglicherweise zur gesetzlichen Erbfolge berufenen Verwandten des Erblassers eine Pflegschaft nach § 1913 BGB in Betracht kommen.
Rz. 39
Die Regelung des § 1913 S. 2 BGB ergänzt § 1960 BGB. Während vor dem Nacherbfall nur die Anordnung einer Pflegschaft für den Nacherben gem. § 1913 S. 2 BGB in Betracht kommt, wird diese mit Eintritt des Nacherbfalls unzulässig. Ab diesem Zeitpunkt ist jedoch bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB anzuordnen.
ee) Nachlassverwaltung
Rz. 40
Nach der Legaldefinition des § 1975 BGB ist die Nachlassverwaltung eine Nachlasspflegschaft zum Zweck der Befriedigung der Gläubiger. Demgegenüber ist die Nachlasspflegschaft des § 1960 BGB auf die Wahrung der Interessen des oder der Erben ausgerichtet, insbesondere dient sie der Sicherung und dem Erhalt des Nachlasses.