1. Sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit
Rz. 105
Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als Nachlassgericht ergibt sich aus § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 GVG i.V.m. § 342 FamFG. Anderen Abteilungen des Amtsgerichts und deren Beschwerdegerichten steht keine generelle Befugnis zu, die Entscheidung des Nachlassgerichts zu überprüfen. Eine solche Befugnis besteht nur im Ausnahmefall, wenn der Gesetzesverstoß so schwerwiegend ist, dass die Voraussetzungen für die Nichtigkeit der Entscheidung vorliegen.
Rz. 106
Die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts bestimmt sich nach §§ 343 f. FamFG.
Unter Beachtung der EuErbVO richtet sich die örtliche Zuständigkeit für Sterbefälle ab dem 17.8.2015 nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers. Dementsprechend ist gem. § 343 Abs. 1 FamFG das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Es ist somit nicht das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bereich der Erblasser verstarb. In der Praxis erweist sich die Feststellung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts oft als problematisch. In der EuErbVO findet sich keinerlei Definition des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Verstorbenen, weder in Art. 21 noch in Art. 4. Die Erwägungsgründe 23 und 24 geben Auslegungshilfen. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt ist vertragsautonom zu bestimmen, auch im Rahmen des § 343 Abs. 1 FamFG. Hatte der Erblasser zur Zeit des Erbfalls keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist gem. § 343 Abs. 2 FamFG das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Ist eine Zuständigkeit nach § 343 Abs. 1 und 2 FamFG nicht gegeben, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin gem. § 343 Abs. 3 FamFG zuständig, wenn der Erblasser Deutscher ist oder sich Nachlassgegenstände im Inland befinden. Das Amtsgericht Schöneberg in Berlin kann die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht verweisen. Die Abgabeverfügung ist für dieses Gericht bindend. Ein wichtiger Grund liegt etwa vor, wenn der Nachlass hauptsächlich aus Grundstücken besteht, die in dem Bezirk des anderen Gerichts belegen sind.
Sofern sich eine Zuständigkeit aus § 343 FamFG ergibt, gilt diese auch für im Ausland befindliche Nachlassgegenstände.
Rz. 107
Neben dem Nachlassgericht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes kann für eine Maßnahme der Nachlasssicherung auch ein weiteres Amtsgericht zuständig sein, wenn sich in seinem Bezirk ein zu sichernder Nachlassgegenstand befindet. Gem. § 344 Abs. 4 FamFG ist jedes Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Sicherung besteht; auch soll das Amtsgericht, das Sicherungsmaßnahmen trifft, gem. § 356 Abs. 2 FamFG dem nach § 343 Abs. 1 FamFG zuständigen Gericht Mitteilung machen.
Rz. 108
Für Maßnahmen der Nachlasssicherung funktionell ist gem. § 3 Nr. 2 Buchst. c RpflG grundsätzlich der Rechtspfleger zuständig, soweit sich nicht aus dem Richtervorbehalt des § 16 Abs. 1 Nr. 1 RpflG ein anderes ergibt. Letzteres ist nicht der Fall, wenn es sich bei dem Erblasser um einen ausländischen Staatsangehörigen handelt. Die funktionelle Zuständigkeit verbleibt beim Rechtspfleger.
Rz. 109
Entscheidet ein örtlich unzuständiges Gericht, so ist diese Entscheidung gem. § 2 Abs. 3 FamFG nicht unwirksam. Das gilt in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auch bei Fehlen der sachlichen und funktionellen Zuständigkeit; in diesen Fällen sind die Entscheidungen wirksam, aber anfechtbar.
2. Internationale Zuständigkeit
Rz. 110
Da die Zuständigkeitsregeln der EuErbVO dem nationalen Recht vorgehen, sind die deutschen Nachlassgerichte für Maßnahmen der Nachlasssicherung dann zuständig, wenn eine allgemeine Zuständigkeit nach Art. 4 ff. EuErbVO gegeben ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Todes im Inland hatte (Art. 4 EuErbVO). Die internationale Zuständigkeit ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu beachten.
Rz. 111
Daneben können gem. Art. 19 EuErbVO bei deut...