Rz. 12
Liegen die Voraussetzungen des S. 1 vor, so hat die werdende Mutter einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt aus dem Nachlass oder aus dem Erbteil des Kindes bis zur Entbindung. Dieser Anspruch steht nicht nur der werdenden Mutter eines ehelichen Kindes, sondern, wie die unterschiedslose Formulierung des Gesetzes deutlich macht, jeder Mutter eines zu erwartenden Erben zu, also auch im Falle nichtehelicher Vaterschaft. Eine Geltendmachung durch den Leibesfruchtpfleger (§ 1912) kommt nicht in Betracht, da nicht künftige Rechte der Leibesfrucht in Frage stehen.
1. Wesen des Anspruchs
Rz. 13
Bei dem Anspruch aus S. 1 handelt es sich um einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Mutter. Dieser ist trotz seines Zwecks (siehe Rdn 1 ff.) als Nachlassverbindlichkeit in Gestalt einer Erbfallschuld i.S.v. § 1967 Abs. 2 BGB, also einer Verbindlichkeit, die aus Anlass des Erbfalls entsteht, einzuordnen.
Rz. 14
Auch wenn es an einer ausdrücklichen Verweisung fehlt, so sind gleichwohl im Hinblick auf den Charakter des Anspruchs als eines Unterhaltsanspruchs die allg. Vorschriften zur Unterhaltspflicht zwischen Verwandten (§§ 1601 ff. BGB) grundsätzlich anwendbar. Das gilt etwa für die Regelung des § 1610 BGB über das zu bestimmende Maß des Unterhalts (siehe dazu Rdn 15 ff.) wie auch für die Bestimmungen des § 1612 Abs. 1 und 3 BGB, wonach der Unterhalt durch Entrichtung einer monatlich im Voraus zu zahlenden Geldrente zu gewähren ist, und des § 1614 Abs. 1 BGB, der einen Verzicht auf zukünftigen Unterhalt ausschließt. Hingegen ist die Anwendbarkeit von § 1613 BGB betreffend die Beschränkung der Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit abzulehnen. Maßgebend hierfür sind die Gesichtspunkte, dass der Unterhaltsanspruch letztlich im Interesse des nasciturus besteht und der in § 1613 BGB zum Ausdruck gelangende Vertrauensschutzgedanke bezogen auf den Anspruch aus S. 1 nicht zum Tragen kommen kann.
2. Inhalt und Grenzen des Anspruchs
Rz. 15
Der Anspruch aus S. 1 ist auf die Gewährung angemessenen Unterhalts bis zur Entbindung aus dem Nachlass oder, wenn noch andere Personen als Erben berufen sind, aus dem Erbteil des Kindes gerichtet.
Rz. 16
Für den Begriff des angemessenen Unterhalts ist auf § 1610 Abs. 1 BGB abzustellen. Danach bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die Höhe des Nachlasses bzw. des Erbteils des Ungeborenen ist mithin als solche nicht maßgebend. Der angemessene Unterhalt umfasst die Kosten für den täglichen Lebensunterhalt, darüber hinaus auch die Kosten für ärztliche Behandlung während der Schwangerschaft, und zwar unabhängig davon, ob diese mit der Schwangerschaft im Zusammenhang steht, wie auch die Kosten für die Entbindung selbst.
Rz. 17
Zeitlich besteht der Anspruch "bis zur Entbindung", ist also grundsätzlich auf den Zeitraum zwischen dem Erbfall und der Geburt des Kindes begrenzt. Nach der Entbindung entstehende Kosten – z.B. Wochenbettkosten und die infolge der Entbindung etwa durch Krankheit entstehenden Kosten – können nicht über den Unterhaltsanspruch aus S. 1 geltend gemacht werden. Entsteht die Erbenstellung des werdenden Kindes erst zu einem Zeitpunkt nach dem Tod des Erblassers, wie etwa im Fall des Wegfalls eines zunächst berufenen Erben (siehe Rdn 6), so besteht der Anspruch ab diesem Zeitpunkt bis zur Entbindung.
Rz. 18
Ferner ist der Unterhaltsanspruch auf die Höhe des Nachlasses oder – bei mehreren Erben – des Erbteils des Kindes beschränkt. Das wird unmittelbar aus dem Gesetz deutlich, wonach der Unterhalt (nur) aus dem Nachlass oder dem Erbteil des Kindes verlangt werden kann. S. 1 regelt insoweit einen speziellen Fall der beschränkten Erbenhaftung. Die für den Fall der Berufung mehrerer Erben erfolgende Anknüpfung an den Erbteil des Kindes dient allein der rechnerischen Bestimmung der für den Unterhaltsanspruch zur Verfügung stehenden Haftungsmasse, nicht etwa setzt das Gesetz z.B. eine erfolgte Auseinandersetzung voraus.
Rz. 19
Im Zusammenhang mit dieser Anknüpfung ist die Regelung des S. 2 zu beachten. Danach ist bei der Bemessung des Erbteils stets anzunehmen, dass nur ein Kind geboren wird. Eine Mehrlingsgeburt führt auch nachträglich nicht zu einer Erhöhung des Unterhaltsanspruchs.
Rz. 20
Der Unterhaltsanspruch aus S. 1 unterliegt gem. § 195 BGB der regelmäßigen Verjährung. Er verjährt mithin nach drei Jahren, wobei für den Verjährungsbeginn § 199 Abs. 1 BGB maßgebend ist.