I. Allgemeines
Rz. 5
Während § 1967 Abs. 1 BGB den Grundsatz der unbeschränkten Erbenhaftung festlegt, bestimmt § 1967 Abs. 2 BGB den Begriff der Nachlassverbindlichkeiten, und zwar unvollständig. Es wird dort lediglich zwischen den "von dem Erblasser herrührenden Schulden" (sog. Erblasserschulden) und denjenigen unterschieden, die den Erben als solchen treffen (sog. Erbfallschulden). Eine weitere Gruppe von Verbindlichkeiten tritt hinzu, nämlich die der Erbschaftsverwaltungs- oder Nachlasskosten (sog. Nachlasserbenschulden). Eine Verbindlichkeit des Erben, die nicht eine Nachlassverbindlichkeit ist, wird im allg. als Eigenverbindlichkeit oder Erbenschuld bezeichnet. Auf derartige Verbindlichkeiten finden die Bestimmungen über Nachlassverbindlichkeiten keine Anwendung. Zu beachten ist, dass auch die Eigengläubiger des Erben auf den Nachlass zugreifen können, wenn nicht die Nachlassverwaltung (vgl. § 1984 Abs. 2 BGB, § 784 Abs. 2 ZPO) angeordnet bzw. das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist. Einschränkungen hinsichtlich der Möglichkeiten des Zugriffs der Eigengläubiger auf den Nachlass ergeben sich für die erste Zeit nach dem Erbfall auch aus § 783 ZPO.
II. "Vom Erblasser herrührende Schulden" (Erblasserschulden)
Rz. 6
Als Erblasserschulden werden diejenigen Verbindlichkeiten angesehen, die schon vor dem Eintritt des Erbfalls in der Person des Erblassers entstanden waren, darüber hinaus solche, die zwar erst nach dem Erbfall voll entstehen, deren wesentliche Entstehungsgrundlagen schon vor dem Erbfall gesetzt waren. Für die Schulden des Erblassers haftet der Erbe selbstverständlich nur, soweit diese überhaupt vererblich sind. Voraussetzung zur Einordnung der Verbindlichkeiten des Erblassers in die Gruppe der Erblasserschulden ist deshalb stets, dass die einzelne Verbindlichkeit vererblich ist. Alle nichtvererblichen Verbindlichkeiten scheiden deshalb aus dem Kreis der Nachlassverbindlichkeiten aus. Dazu zählen u.a.:
Rz. 7
Gesetzliche Unterhaltspflichten gegenüber Verwandten (§ 1615 BGB) und dem Ehegatten (§ 1360a Abs. 3 BGB) oder dem Lebenspartner (§ 5 S. 1 LPartG). Sie erlöschen grundsätzlich mit dem Tod des Verpflichteten bzw. Berechtigten. Nur soweit der Anspruch auf Erfüllung oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit oder auf solche im Voraus zu bewirkenden Leistungen gerichtet ist, die bereits zur Zeit des Todes des Verpflichteten fällig sind, gilt etwas anderes. Auch der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes (§ 1615a BGB) erlischt mit dem Tod des Verpflichteten.
Rz. 8
Vererblich dagegen ist der Anspruch auf Unterhalt der geschiedenen und der ihnen gleichgestellten Ehegatten sowie des Lebenspartners (§ 1586b BGB; § 16 Abs. 2 S. 2 LPartG). Das gilt auch dann, wenn Erblasser und sein Ehegatte für den Fall der Scheidung eine unselbstständige Unterhaltsvereinbarung (z.B. Altersunterhalt) treffen. § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB, auf den § 16 Abs. 2 LPartG Bezug nimmt, begrenzt allerdings die Haftung auf den fiktiven Pflichtteil des Berechtigten (geschiedenen Ehegatten oder Lebenspartner nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft (§ 15 LPartG). Denn die Vererblichkeit des Unterhaltsanspruchs soll den Lebensbedarf des geschiedenen Ehegatten über den Tod des Verpflichteten hinaus "in ähnlicher Weise sicherstellen, wie dies bei Fortbestand der Ehe durch erbrechtliche Ansprüche erreicht worden wäre".
Rz. 9
Auch das langjährige Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Erblasser und einem Dritten lässt nach der Rspr. des BFH mangels ausdrücklicher Vereinbarung eines Austauschverhältnisses keine dem Dritten gegenüber bestehende Erblasserschuld in Form von Unterhalts- oder Versorgungsansprüchen entstehen.
Rz. 10
Sonstige vermögensrechtliche Pflichten familienrechtlicher Natur sind je nach dem Normzweck der sie begründenden Vorschrift passiv vererblich oder unvererblich. Die Verpflichtungen des Vaters, der Mutter des Kindes die Kosten der Entbindung und Unterhalt aus Anlass der Geburt zu zahlen (§ 1615l BGB), erklärt das Gesetz ausdrücklich für vererblich (§§ 1615l Abs. 3 S. 5 u. 1615n BGB). Vererbliche Erblasserschuld ist auch die Zugewinnausgleichforderung des überlebenden Ehegatten in den Fällen des § 1371 Abs. 2 u. 3 BGB. Gleiches gilt für das Versprechen einer Ausstattung (§ 1624 BGB). Der Anspruch auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich geht allerdings mit dem Tode des Verpflichteten unter.
Rz. 11
Verbindlichkeiten, die zu vermögensbezogenen Leistungen verpflichten, sind im Zweifel vererblich. Nicht vererblich sind im Zweifel die Verpflichtungen des Beauftragten zur Besorgung des ihm übertragenen Geschäfts (§ 673 BGB) und des Dienstverpflichteten zur Leistung persönlicher Dienste (§ 613 BGB). Die aus diesen Schuldverhältnissen hervorgegangenen Verpflichtungen (etwa auf Herausgabe des Erlangten oder einer Überzahlung) sind dagegen vererblich, so die Pflicht des Erblassers aus § 6...