Rz. 33
In der Praxis ist es von großer Bedeutung, ob und inwieweit der Erbe für Geschäftsverbindlichkeiten haftet. Dabei ist zu unterscheiden, ob es um Verbindlichkeiten einer Einzelfirma oder Personengesellschaft geht.
1. Verbindlichkeiten aus dem Betrieb einer Einzelfirma
Rz. 34
Für den Erben eines Einzelkaufmannes ergibt sich die Haftung – auch – für die Geschäftsverbindlichkeiten des Erblassers zunächst aus § 1967 BGB. Es ist zwischen der erbrechtlichen und der handelsrechtlichen Haftung streng zu unterscheiden. Diese Haftung wird durch die Bestimmung des § 27 HGB wesentlich modifiziert, wenn der Erbe das Handelsgeschäft des Erblassers unter der bisherigen Firma mit oder ohne einen den Übergang andeutenden Zusatz fortführt. Dann folgt aus den §§ 25, 27 HGB grundsätzlich eine unbeschränkbare Haftung des Erben für die früheren Verbindlichkeiten. Dabei ist zu unterscheiden, ob das Geschäft unter der bisherigen Firma oder unter einer neuen Firma durch den Erben fortgeführt wird.
Rz. 35
Führt der Erbe das vollkaufmännische Unternehmen unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes über die Dreimonatsfrist des § 27 Abs. 2 HGB hinaus fort, so haftet er für alle im Unternehmen des Erblassers begründeten Verbindlichkeiten unbeschränkt, d.h. wie für seine eigenen Verbindlichkeiten mit seinem ganzen, auch nicht zum Nachlass gehörenden Vermögen, wenn er die Geschäftstätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis vom Anfall der Erbschaft (§ 27 Abs. 2 HGB) wieder einstellt. Haftungsbeschränkungsmaßnahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches betreffen dann nur die sonstigen Nachlassverbindlichkeiten; gegenüber den früheren Geschäftsverbindlichkeiten des Erblassers sind sie ohne Wirkung.
Rz. 36
Die Fortführung des Handelsunternehmens muss nicht persönlich erfolgen. Es genügt, wenn sie im Namen des Erben durch einen anderen geschieht, etwa durch einen Bevollmächtigten oder einen gesetzlichen Vertreter. Eine Fortführung durch den Erben liegt dagegen nicht vor, wenn vor Ablauf der Frist des § 27 Abs. 2 HGB Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. Gleiches gilt für den Testamentsvollstrecker, der nicht als Bevollmächtigter der Erben, sondern im eigenen Namen das Unternehmen fortführt. Er handelt zwar für Rechnung des Nachlasses, aber nicht im Namen des Erben. Eine Fortführung ist allerdings auch dann gegeben, wenn der Erbe vor Ablauf der Frist des § 27 Abs. 2 HGB das Unternehmen veräußert oder verpachtet, nachdem er es zunächst selbst fortgeführt hat. Nur wenn der Erbe das Unternehmen alsbald veräußert oder verpachtet, ohne es vorher selbst betrieben zu haben, fehlt es an den Voraussetzungen des § 27 HGB. Diese liegen selbst dann vor, wenn der Erbe vor Ablauf der Dreimonatsfrist zwar die bisherige Firma aufgibt, den Betrieb aber nicht einstellt. Bei Fortführung durch den Erben haftet dieser nach § 27 HGB für die früheren Verbindlichkeiten. Dazu zählen nicht nur die vom Erblasser begründeten, sondern auch solche Geschäftsschulden, die vom vorläufigen Erben oder vom Vorerben herrühren.
Rz. 37
Die unbeschränkte handelsrechtliche Haftung des § 27 HGB für frühere Geschäftsverbindlichkeiten trifft den Erben allerdings nicht, wenn er den Betrieb des (unter der bisherigen Firma fortgeführten) Unternehmens vor Ablauf von drei Monaten seit Kenntnis vom Erbfall und darüber hinaus bis zum Ende der Ausschlagungsmöglichkeit (§ 27 Abs. 2 S. 3 HGB) einstellt (§ 27 Abs. 2 HGB). Einer solchen Einstellung ist die Fortführung des Unternehmens vor Ablauf der Dreimonatsfrist durch Nachlassverwalter oder Nachlassinsolvenzverwalter gleichzustellen.
Rz. 38
Nach überwiegender Auffassung kann der Erbe aber auch bei Fortführung des Unternehmens unter der bisherigen Firma über drei Monate hinaus sich die Möglichkeit der Beschränkung der Haftung erhalten, wenn er entsprechend § 25 Abs. 2 HGB durch einseitige Erklärung die unbeschränkte handelsrechtliche Haftung ablehnt und diese Erklärung vor Fristablauf in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder dem Gläubiger vom Erben in einer anderen Form mitgeteilt wird. Stellt der Erbe rechtzeitig ein oder macht er innerhalb der Frist des § 25 Abs. 2 HGB bekannt, dass er die unbeschränkte handelsrechtliche Haftung ablehne, so verbleibt es bei der Erbenhaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch.
Rz. 39
Unberührt bleibt aber die Haftung des Erben für die von ihm nach dem Erbfall im Betrieb des fortgeführten Unternehmens eingegangenen neuen Verbindlichkeiten. Für sie haftet er stets mit seinem eigenen Vermögen, wenn er nicht bei Abschluss der Rechtsgeschäfte zum Ausdruck bringt, dass er nur eine auf den Nachlass beschränkte Haftung eingehen wolle. Die Bestimmungen der §§ 25 ff. HGB gehen im Interesse des Vertrauensschutzes im Handelsverkehr von der Zusammengehörigkeit der Aktiven und Passiven eines Unternehmens aus und legen deshalb demjenigen, der es nach außen hin...