Gesetzestext
(1)1Der Erbe ist verpflichtet, Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu dessen Hausstand gehören und von ihm Unterhalt bezogen haben, in den ersten 30 Tagen nach dem Eintritt des Erbfalls in demselben Umfang, wie der Erblasser es getan hat, Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. 2Der Erblasser kann durch letztwillige Verfügung eine abweichende Anordnung treffen.
(2)Die Vorschriften über Vermächtnisse finden entsprechende Anwendung.
A. Allgemeines
Rz. 1
Der sog. Dreißigste ist eine alte deutsche Einrichtung. Zweck der Regelung ist es, den Familienangehörigen des Erblassers, die zum Zeitpunkt seines Todes seinem Hausstand angehört und von ihm Unterhalt bezogen haben, für die ersten 30 Tage nach dem Erbfall eine gesicherte Position im Hinblick auf Unterhalt und Mietverhältnis zu sichern. Ihnen soll damit Zeit für die notwendige Umstellung der bisherigen Lebensführung gewährt werden. Der Anspruch dient damit dem Schutz der vom Erblasser abhängig gewesenen Personen. Seine Weiterführung ist bis hin in die jüngste Mietrechtsgesetzgebung zu beobachten (vgl. §§ 563, 563b BGB). Die Bestimmung ist auf das Nutzungsrecht des Ehegatten oder Haushaltsangehörigen eines verstorbenen Nießbrauchers entsprechend anwendbar. Die Vorschriften über Vermächtnisse sind nach Abs. 2 der Vorschrift entsprechend anwendbar. Der Erblasser kann durch letztwillige Verfügung abweichende Anordnungen treffen, etwa den Anspruch erweitern oder verringern, einen Vorrang anordnen (§ 2189 BGB) oder einen anderen als den Erben beschweren (§ 2147 BGB). In einem Erbvertrag kann der Dreißigste vertragsmäßig erweitert (§ 2278 Abs. 2 BGB), aber nur einseitig verringert oder entzogen werden (§§ 2278 Abs. 2, 2299 BGB).
B. Rechtsfolgen
I. Voraussetzungen des Anspruchs
Rz. 2
Anspruchsberechtigt sind Familienangehörige des Erblassers, die mit diesem zusammen in häuslicher Gemeinschaft gelebt und von ihm Unterhalt bezogen haben. Das sind der Ehegatte des Erblassers, Verwandte und Verschwägerte unabhängig welchen Grades sowie sonstige Personen wie Pflegekinder oder – in Ausnahmefällen auch – Freunde, die der Erblasser als zur Familie gehörig angesehen und behandelt hat. Auch der Partner einer eheähnlichen (nichtehelichen) Lebensgemeinschaft ist in diesem Sinne "familienangehörig". Dazu gehören kraft gesetzlicher Regelung auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner (§ 11 Abs. 1 LPartG). Da zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften kein nennenswerter juristischer Unterschied gemacht werden kann und wird, sollten sie i.S.d. § 1969 BGB sämtlich gleich behandelt werden.
Rz. 3
Nicht zu den Familienangehörigen im vorgenannten Sinn gehören Angestellte, die nicht aufgrund ihrer persönlichen Beziehung zum Erblasser, sondern aufgrund eines Dienstvertrages zu dessen Hausstand gehörten. Gleiches gilt für solche Personen, die überwiegend aus wirtschaftlichen Gründen mit dem Erblasser zusammenlebten. Der Familienangehörige muss im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu dessen Hausstand (vgl. § 1619 BGB) gehört, also in dessen Haus oder Wohnung seinen Lebensmittelpunkt gehabt haben. Ein nur vorübergehender Aufenthalt im Haushalt des Erblassers reicht nicht aus. Allerdings schadet eine vorübergehende Abwesenheit (etwa zu Studienzwecken oder auf Reisen) nicht. Der getrennt lebende Ehegatte (vgl. § 1567 BGB) gehört nicht mehr zum Hausstand des Erblassers. Der Erblasser muss dem Familienangehörigen tatsächlich Unterhalt gewährt haben. Ob ein Unterhaltsanspruch nach gesetzlichen Vorschriften bestand, ist unerheblich.
II. Inhalt, Umfang und Dauer des Anspruchs
Rz. 4
Der Erbe hat Unterhalt in demselben Umfang zu gewähren, wie der Erblasser es getan hat, und die Nutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Die Frist beginnt mit dem auf den Todestag folgenden Tag (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB). Der Todestag wird mithin nicht mitgezählt. Bei einer Todeserklärung entfällt der Anspruch, da die Frist des § 9 VerschG nicht gewahrt werden kann. Der Unterhalt ist grundsätzlich in Natur zu gewähren. Nur wenn der Haushalt entgegen § 1969 BGB vor Ablauf der Frist von 30 Tagen aufgelöst wird, kommt ein Anspruch auf Geld in Betracht. Der Anspruch endet dann, wenn der Unterhaltsberechtigte freiwillig aus der Wohnung auszieht.
Rz. 5
Auch die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände hat der Erbe in demselben Umfange zu gestatten, wie es zuvor der Erblasser getan hat. War der Erblasser nicht Eigentüm...