Gesetzestext
(1)Hat ein Nachlassgläubiger vor der Anordnung der Nachlassverwaltung oder vor der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens seine Forderung gegen eine nicht zum Nachlass gehörende Forderung des Erben ohne dessen Zustimmung aufgerechnet, so ist nach der Anordnung der Nachlassverwaltung oder der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens die Aufrechnung als nicht erfolgt anzusehen.
(2)Das Gleiche gilt, wenn ein Gläubiger, der nicht Nachlassgläubiger ist, die ihm gegen den Erben zustehende Forderung gegen eine zum Nachlass gehörende Forderung aufgerechnet hat.
A. Allgemeines
Rz. 1
Die Vorschrift des § 1977 BGB ist ebenso wie diejenige des § 1976 BGB in einem engen Zusammenhang mit der Absonderung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben zu sehen. Mit dem Erbfall wird der (Allein-)Erbe persönlicher Schuldner aller gegen den Nachlass gerichteten Forderungen und zugleich Inhaber aller zum Nachlass gehörenden Ansprüche. Damit stehen sie in einem Gegenseitigkeitsverhältnis auch zu den nicht zum Nachlass gehörenden Forderungen des Erben ans sie. Eigengläubiger des Erben können damit ebenso gegen eine Nachlassforderung aufrechnen wie Nachlassgläubiger gegen eine Eigenforderung des Erben.
Rz. 2
Auf diese Weise können sich die Nachlassgläubiger des Erben, solange der Erbe ihnen gegenüber noch ohne Beschränkung auf den Nachlass haftet, ohne Mitwirkung des Erben aus dem Eigenvermögen desselben befriedigen. Folge der amtlichen Absonderung des Nachlasses ist, dass das Eigenvermögen des Erben einerseits und der Nachlass andererseits voneinander getrennt werden. Die Vorschrift des § 1977 BGB ordnet nun an, dass Aufrechnungen, die zu einer Befriedigung des Gläubigers aus der "falschen" Vermögensmasse geführt haben, als nicht erfolgt und die gem. § 389 BGB erloschenen Forderungen einschließlich ihrer Nebenrechte (Pfandrechte, Bürgschaft) als wiederhergestellt gelten. Dabei dient Abs. 1 dem Schutz des Erben, der eine Eigenforderung gegen seinen Willen verloren hat, und Abs. 2 dem Schutz der Nachlassgläubiger vor einer Verringerung des Nachlasses zugunsten eines Eigengläubigers des Erben (ähnliche Schutzzwecke verfolgen die Bestimmungen der §§ 783, 784 ZPO).
B. Tatbestand
I. Zeitpunkt der Aufrechnung
Rz. 3
Die Bestimmung setzt eine Aufrechnung nach dem Erbfall und vor der amtlichen Absonderung des Nachlasses durch Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens voraus. Erklärt ein Eigengläubiger des Erben die Aufrechnung gegen eine Nachlassforderung nach der amtlichen Absonderung, bleibt diese wirkungslos (§§ 1975, 1984 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 BGB; § 80 InsO). Ein Nachlassgläubiger kann nur dann gegen eine Forderung, die zum Eigenvermögen des Erben zählt, aufrechnen, wenn ihm der Erbe auch mit seinem eigenen Vermögen haftet. Ein Eigengläubiger des Erben kann nach der amtlichen Absonderung niemals gegen eine zum Nachlass gehörende Forderung aufrechnen.
Rz. 4
Der Erbe kann gegenüber einem Eigengläubiger nach der amtlichen Vermögenssonderung nicht mehr mit einer zum Nachlass gehörenden Forderung aufrechnen, weil ihm insoweit die Verfügungsbefugnis fehlt (§ 1984 Abs. 1 S. 1 BGB; § 80 InsO). Der Erbe kann mit einer Forderung aus dem Eigenvermögen stets gegen eine solche eines Nachlassgläubigers aufrechnen. Rechnet der Erbe mit einer Eigenforderung auf, steht ihm gegen den Nachlass bzw. die Insolvenzmasse ein Aufwendungsersatzanspruch nach Bereicherungsrecht zu (§§ 683, 684, 1978 Abs. 3 BGB).
II. Rechtsfolge des § 1977 BGB
Rz. 5
Die Rechtsfolge des § 1977 BGB ist in beiden Regelungsalternativen gleich: die Aufrechnungswirkung wird infolge der Anordnung der Nachlassverwaltung bzw. der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mit rückwirkender Kraft aufgehoben. Dabei handelt es sich um eine kraft Gesetzes eintretende Regelungsfolge. Die nach § 389 BGB erloschenen Forderungen leben mitsamt ihren Nebenrechten (Bürgschafts- oder Pfandrechten) wieder auf. Darauf, wann die Forderungen entstanden sind, kommt es nicht an, wenn nur die Aufrechnung nach dem Erbfall und vor der amtlichen Nachlasssonderung erfolgt ist.
III. Aufrechnung durch Nachlassgläubiger (Abs. 1)
Rz. 6
Hat ein Nachlassgläubiger die Aufrechnung erklärt, treten die oben beschriebenen Wirkungen ein. Die Aufrechnung ist als nicht erfolgt anzusehen, sobald die Nachlasssonderung eintritt. Nur wenn der Erbe der Aufrechnung zugestimmt hat, bleibt diese wirksam. Zu Recht wird dabei darauf abgestellt, dass in der Zustimmung zur Aufrechnung eine Verfügung des Erben über die zu seinem Eige...