Rz. 4
Die Vorschrift legt die Verpflichtung, ab Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen, dem "Erben" auf. Darunter ist – wie allgemein im Erbrecht – jeder endgültige Erbe zu verstehen. Im Unterschied dazu wird derjenige Erbe, der die Erbschaft noch nicht angenommen hat, als "vorläufiger Erbe" bezeichnet. Vorläufig ist damit die Erbenstellung bis zur Annahme der Erbschaft (§ 1943 BGB). Bis dahin steht noch nicht fest, dass der Berufene auch endgültig Erbe wird. Während dieses Zeitraums braucht er sich um den Nachlass grundsätzlich nicht zu kümmern. Es handelt sich deshalb in diesem Stadium um einen "werdenden Erben". Für diesen gilt die Insolvenzantragspflicht nicht, weil es einen Erben i.S.d. Abs. 1 S. 1 (noch) nicht gibt. Der Schwebezustand wird durch die Annahme der Erbschaft beendet, der "werdende" wird zum endgültigen Erben. Seine durch die Annahme begründetet Pflichtenstellung, einschließlich der Insolvenzantragspflicht aus Abs. 1 S. 1 wird nicht dadurch wieder in Frage gestellt bzw. obsolet, dass andere (Erbprätendenten) seine Erbenstellung in Zweifel ziehen. Der Erbe wird dadurch nicht etwa erneut zum "werdenden" Erben.
Rz. 5
Voraussetzung der Haftung ist, dass der Nachlass zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllt werden (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Sie ist i.d.R. anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO). Dabei ist stets auf den Nachlass und nicht auf das Eigenvermögen des Erben abzustellen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit kann ebenfalls Grund für die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens sein (§ 320 S. 2 InsO); sie begründet jedoch keine Antragspflicht.
Rz. 6
Überschuldet ist der Nachlass (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO), wenn das Vermögen des Schuldners (hier: der Nachlass) die bestehenden Verbindlichkeiten (hier: die Nachlassverbindlichkeiten) nicht deckt. Es ist also eine Gegenüberstellung der Aktiva und der Passiva des Nachlasses vorzunehmen. Zu den Aktiva gehören die nach §§ 1976, 1977 BGB wieder auflebenden Rechte sowie Ansprüche gegen den Erben aus §§ 1978, 1979 BGB. Zu den Passiva gehören grundsätzlich alle Nachlassverbindlichkeiten. Diejenigen aus Vermächtnis, Auflagen sowie die im Aufgebotsverfahren ausgeschlossenen oder ihnen nach § 1974 BGB gleichstehenden sind nicht zu berücksichtigen. Dies gilt allerdings lediglich hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht, nicht auch bezüglich der Frage, ob tatsächlich Überschuldung im Einzelfall gegeben ist (§ 320 InsO). Etwas anderes gilt, wenn zum Nachlass ein Unternehmen gehört. Nach § 19 Abs. 2 S. InsO ist bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners (hier: Nachlasses) jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Das muss stets bedacht werden.
Rz. 7
Neben der objektiv vorliegenden Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Nachlasses muss der Erbe davon auch Kenntnis erlangt oder infolge Fahrlässigkeit nicht erlangt haben (Abs. 2 S. 1). Als Fahrlässigkeit gilt es insbesondere, wenn der Erbe das Aufgebot der Nachlassgläubiger (§ 1970 BGB) nicht beantragt hat, obwohl er Grund hatte, das Vorhandensein unbekannter Nachlassverbindlichkeiten anzunehmen (Abs. 2 S. 2 Hs. 1). Der Erbe ist nur dann nicht verpflichtet, das Aufgebotsverfahren einzuleiten, wenn die Verfahrenskosten im Verhältnis zum Bestand des Nachlasses unverhältnismäßig hoch sind (Abs. 2 S. 2 Hs. 2). Dann muss er sich jedoch in anderer Weise über den Bestand des Nachlasses informieren. Eine Zahlungseinstellung für den Nachlass wird im Regelfall dafür sprechen, dass dem Erben die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bekannt gewesen ist.
Rz. 8
Schließlich muss es der Erbe unterlassen haben, unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB), d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen. Ob der Antrag unverzüglich und somit ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) erfolgt ist, ist stets Tatfrage. In jedem Fall bedeutet das, dass der Erbe nur dann schuldhaft zögern kann, wenn er die Erbschaft angenommen hat. Der Erbe ist auch nach der Anordnung der Nachlassverwaltung antragsberechtigt. Sein Antragsrecht tritt selbstständig neben dasjenige des Nachlassverwalters. Miterben sind je für sich antragsberechtigt (§ 317 Abs. 1 InsO). Eine Haftung kommt daher nur in Betracht, wenn kein Miterbe einen Antrag stellt oder wenn ein Miterbe, der sich an einem Antrag nicht beteiligt hat, im Rahmen seiner Anhörung (§ 317 Abs. 2 S. 2 InsO) das Verfahren verzögert. In diesem Fall haften die Miterben, in deren Person die Voraussetzungen des § 1980 BGB erfüllt sind, als Gesamtschuldner. Die eventuell schuldhaft verspätete Stellung des Insolvenzantrags durch den Nachlasspfleger ist dem Erben nicht zuzurechnen.
Rz. 9
Der Umfang des Schadens richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB, b...