Rz. 1
Mit der sog. Dürftigkeitseinrede steht dem Erben ein relativ einfacher Weg der Haftungsbeschränkung allen Nachlassgläubigern gegenüber zur Verfügung. Die Notwendigkeit der Bereitstellung einer weiteren Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung ergibt sich daraus, dass die in § 1975 BGB vorgesehenen Mittel hierzu versagen, wenn eine den Verfahrenskosten entsprechende Nachlassmasse nicht vorhanden ist. Das Gesetz mutet dem Erben in diesen Fällen nicht zu, einen Vorschuss aus dem Eigenvermögen leisten zu müssen (als Vorschuss i.S.v. § 26 Abs. 1 S. 2 InsO im Nachlassinsolvenzverfahren oder als Vorschuss zur Anordnung der Nachlassverwaltung), um die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass zu erreichen.
Rz. 2
Der Erbe kann zur Abwendung der persönlichen Haftung stattdessen die Dürftigkeit des Nachlasses einwenden und den Nachlassgläubigern den Nachlass zur Befriedigung zur Verfügung stellen. Auch in diesem Fall tritt die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass ein. Die Einrede der beschränkten Haftung kann unter vier verschiedenen Voraussetzungen geltend gemacht werden, als Dürftigkeitseinrede, Unzulänglichkeitseinrede, Erschöpfungseinrede und Einrede der Überschwerung.
Rz. 3
Die ersten drei Einreden werden von § 1990 BGB, die letzte wird von § 1992 BGB erfasst. Die Dürftigkeitseinrede setzt nur Dürftigkeit des Aktivbestandes i.S.d. Abs. 2, aber keine Überschuldung des Nachlasses voraus. Mit ihr verfolgt der Erbe das Ziel, den Zugriff der Nachlassgläubiger lediglich auf sein Eigenvermögen abzuwehren (Haftungssonderung ohne Bildung von Sondervermögen). Die Unzulänglichkeitseinrede setzt nicht nur einen dürftigen, sondern auch einen überschuldeten Nachlass voraus. Mit ihr darf der Erbe die volle Befriedigung der Nachlassgläubiger, vor allem auch der nachlassbeteiligten Gläubiger (§ 1991 Abs. 4 BGB), aus dem Nachlass verweigern. Sie steht auch dem verwaltenden Testamentsvollstrecker zu.
Rz. 4
Die Erschöpfungseinrede setzt voraus, dass überhaupt keine Nachlassgegenstände mehr vorhanden, auch keine Ersatzansprüche gegen den Erben nach §§ 1978, 1979, 1991 Abs. 1 BGB gegeben sind. Mit ihr kann der Erbe schon die Klageabweisung des Gläubigers erreichen (vgl. § 1973 Rdn 15). Die Einrede der Überschwerung gegenüber Vermächtnis- und Auflagegläubigern setzt nicht voraus, dass der Nachlass dürftig, dass er aber durch Vermächtnisse und Auflagen – und nur durch sie – überschuldet ist.
Rz. 5
Die Bestimmung des § 1991 BGB regelt dagegen im Einzelnen, was zu gelten hat, wenn der Erbe von seinem Recht nach § 1990 BGB Gebrauch macht. Zumeist werden die derart dürftigen Nachlässe durch die Erben ausgeschlagen. Insoweit führt das Fehlen einer amtlichen Liquidation des Nachlasses in der Praxis zu einer – meist unnötigen – Belastung der Nachlassgerichte und stellt stets auch eine Belastung für die Nachberufenen dar.
Rz. 6
Die Erhebung der Einreden führt im Ergebnis wie die Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren zu einer Trennung zwischen Nachlass und Eigenvermögen des Erben. Der Erbe bleibt dagegen – anders als in den Fällen der Nachlassverwaltung und des Nachlassinsolvenzverfahrens – weiterhin für die Verwaltung des Nachlasses zuständig. Er ist jedoch jedem Nachlassgläubiger gegenüber, der ihn in Anspruch nimmt, nach den §§ 1978 Abs. 1, 1979, 1991 BGB verantwortlich. Hat der Erbe das Recht, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, allen Gläubigern gegenüber bereits verloren, sind §§ 1990 ff. BGB nicht anwendbar (§ 2013 Abs. 1 S. 1 BGB); haftet der Erbe nur einzelnen Gläubigern gegenüber unbeschränkt, sind die Einreden der §§ 1990 f. BGB diesen Gläubigern gegenüber ausgeschlossen. Die Berufung auf die Einreden des § 1990 BGB kann wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein. Eine durch die Nachlassverwaltung ausgelöste Haftungsbeschränkung bleibt nach Aufhebung der Nachlassverwaltung bestehen. Der Erbe kann auch dann noch die Haftungsbeschränkungen der §§ 1990, 1991 BGB in analoger Anwendung geltend machen, wenn die Nachlassverwaltung nicht aus den in § 1990 Abs. 1 BGB genannten Gründen beendet wurde, der Nachlass also bei Beendigung der Nachlassverwaltung nicht dürftig war.