Rz. 11
Beantragt der Nachlassgläubiger im Prozess gegen den Erben lediglich eine auf den Nachlass beschränkte Verurteilung, ist das Prozessgericht bereits nach § 308 Abs. 1 ZPO daran gebunden. Kommt es zu dem Ergebnis, dass die Klage begründet ist, hat es – ohne die Prüfung des § 1990 BGB, auch wenn sich der Erbe darauf beruft – der Klage stattzugeben. Es ist dabei gehalten, in dem Urteil klar und eindeutig zum Ausdruck zu bringen, das aus ihm – außer wegen der Kosten – nur in den Nachlass vollstreckt werden darf. Beantragt der Nachlassgläubiger im Prozess gegen den Erben dessen Verurteilung ohne jede Beschränkung, hat die Dürftigkeitseinrede so lange unbeachtet zu bleiben, bis der Erbe sie geltend macht. Die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses ist im Berufungsverfahren auch dann zuzulassen, wenn die Dürftigkeit des Nachlasses streitig ist, sofern das Berufungsgericht den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung ausspricht, ohne dessen sachlich-rechtliche Voraussetzungen zu prüfen.
Rz. 12
Der Erbe ist nicht gehalten, die Einrede bereits im Prozess zu erheben. Er kann sie sich auch dadurch erhalten, dass er sich die Beschränkung der Haftung nach § 780 ZPO im Urteil vorbehalten lässt. Unterlässt er allerdings auch dies, verliert er mit der vorbehaltlosen Verurteilung zugleich die Einrede des § 1990 BGB. Das gilt auch für den Fall eines vorbehaltlosen Prozessvergleichs. Einem Erben ist die Dürftigkeitseinrede auch dann versagt, wenn er zusagt, an Stelle eines testamentarisch vermachten Wohnrechts eine Kapitalbetragsabfindung sowie eine näher konkretisierte Rente zu erbringen und keinen Vorbehalt hinsichtlich der Leistungsfähigkeit erklärt. Begehrt der Erbe im Prozess, ohne sich ausdrücklich auf § 1990 BGB zu berufen, einen Vorbehalt nach § 780 ZPO, wird das Gericht diesen grundsätzlich und ohne weitere Prüfung erteilen. Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn das Gericht in der Lage ist, festzustellen, dass der Erbe zumindest dem klagenden Nachlassgläubiger gegenüber das Recht zur Haftungsbeschränkung verloren hat. Der Rechtsstreit ist jetzt hinsichtlich der Haftungsbeschränkung entscheidungsreif. Der Erbe ist ohne den Vorbehalt des § 780 ZPO zu verurteilen, wenn die Klage im Übrigen begründet ist.
Rz. 13
Macht der verklagte Erbe im Prozess des Nachlassgläubigers die Einrede des § 1990 BGB geltend, besteht für den klagenden Nachlassgläubiger ein berechtigtes Interesse an einer möglichst schnellen Entscheidung des Prozessgerichts. Denn ihm droht Gefahr, dass andere Gläubiger ihm zuvorkommen, entweder mit Vollstreckungsmaßnahmen oder wegen § 1991 Abs. 3 BGB. Macht ein Erbe gegenüber einem Nachlassgläubiger die Einrede des Abs. 1 S. 1 geltend, so steht es grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters, ob er die Frage des Haftungsumfangs bereits sachlich aufklärt und entscheidet oder ob er sich mit dem Ausspruch des Vorbehalts gem. § 780 Abs. 1 ZPO begnügt und die sachliche Klärung dem Zwangsvollstreckungsverfahren und den dortigen Rechtsbehelfen überlässt. Sind in diesem Prozess lediglich die tatsächlichen Voraussetzungen der durch den Erben erhobenen Einrede des § 1990 BGB streitig und steht fest, dass der Erbe aus einer Nachlassverbindlichkeit zu Recht in Anspruch genommen wird, ist das Prozessgericht verpflichtet, ein stattgebendes Urteil mit dem Vorbehalt des § 780 ZPO zu erlassen. Dadurch wird die Entscheidung über die Dürftigkeit des Nachlasses in das Verfahren der §§ 781, 785 ZPO verschoben.
Rz. 14
Liegen die Voraussetzungen der Dürftigkeitseinrede unstreitig vor oder hat der Erbe sie im Prozess nachgewiesen und ist der Rechtsstreit auch im Übrigen entscheidungsreif, hat das Gericht die Verurteilung des Erben auszusprechen, dass "die Haftung des Beklagten auf den Nachlass beschränkt ist". Die Haftungsbeschränkung bleibt in der Zwangsvollstreckung solange unberücksichtigt, bis der Erbe sich darauf beruft. Die Beschränkung der Vollstreckung des Urteils auf bestimmte Gegenstände des Nachlasses setzt einen geänderten Antrag des Nachlassgläubigers voraus (§ 264 Nr. 2 ZPO). Eine Ausnahme wird dann zuzulassen sein, wenn es unstreitig ist, dass andere Nachlassgegenstände nicht vorhanden sind.
Rz. 15
Dem Erben steht gegenüber dem Anspruch eines Nachlassgläubigers auf Erstattung der Prozesskosten eines Rechtsstreits über Nachlassverbindlichkeiten nicht die Einrede nach § 1990 BGB zu; auch dann nicht, wenn das Urteil unter dem Vorbehalt nach § 780 ZPO erlassen ist.