Rz. 21
Grundsätzlich kann der zu einer Leistung verurteilte Erbe in der Zwangsvollstreckung die Einreden des Abs. 1 S. 1 nur dann geltend machen, wenn ihm die Beschränkung seiner Haftung im Urteil vorbehalten wurde (§ 780 Abs. 1 ZPO). Davon macht lediglich § 780 Abs. 2 ZPO in den dort näher bestimmten Fällen eine Ausnahme. Der Vorbehalt ist weiter dann entbehrlich, wenn das Prozessgericht selbst über die Haftungsbeschränkung entschieden hat. § 780 ZPO regelt lediglich die Frage, ob in der Zwangsvollstreckung die Haftungsbeschränkung geltend gemacht wird und nicht die Art und Weise, also das Verfahren der Geltendmachung. Letzteres ist in den §§ 781, 785 ZPO geregelt. Nach § 781 ZPO bleibt die Beschränkung der Haftung bei der Zwangsvollstreckung gegen den Erben unberücksichtigt, bis aufgrund derselben gegen die Zwangsvollstreckung von dem Erben Einwendungen erhoben werden. Kann der Erbe die Haftungsbeschränkung (noch) geltend machen (§ 780 Abs. 1 ZPO) und macht er sie geltend (§ 781 ZPO), dann werden sie nach den Vorschriften der §§ 767, 769, 770 ZPO erledigt (§ 785 ZPO).
Rz. 22
Die Einreden des § 1990 BGB gehen allerdings noch weiter. Sie ermöglichen nicht nur – wie aufgezeigt – die Abwehr der künftigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Nach Abs. 2 ist die Berufung auf die Einreden auch dann noch möglich, wenn der Nachlassgläubiger nach dem Erbfall im Wege der Zwangsvollstreckung aber auch der Vollziehung eines Arrestes ein Pfandrecht an beweglichen Sachen, Hypothek oder eine Vormerkung (Sicherungshypothek nach den §§ 866, 867, 932 ZPO) erlangt hat. Ausgenommen sind die rechtsgeschäftlich bestellten Sicherungen (§§ 884, 1137 Abs. 1 S. 2, 1211 Abs. 1 S. 2 BGB), gleich ob sie vom Erblasser oder erst vom Erben bestellt wurden. Die Bestimmung des Abs. 2 will mit dieser Regelung verhindern, dass der Erbe, dem die Herbeiführung von Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenzverfahren nicht möglich ist, schlechter gestellt wird als bei amtlicher Nachlasssonderung.
Rz. 23
Sind wegen einer Nachlassverbindlichkeit Vollstreckungsmaßnahmen in das nicht zum Nachlass gehörende Vermögen (Eigenvermögen) des Erben erfolgt, kann dieser deren Aufhebung in entsprechender Anwendung des § 784 ZPO verlangen. Haftet allerdings der Erbe wegen schlechter Verwaltung des Nachlasses nach § 1991 Abs. 1 BGB auch mit dem Eigenvermögen, kann der Nachlassgläubiger auch dieses in Anspruch nehmen. Dabei kann der Nachlassgläubiger auch auf gem. § 1991 Abs. 2 BGB nicht erloschen geltende Ansprüche des Erblassers (Nachlasses) gegen den Erben zugreifen. Haben die Nachlassgläubiger dagegen in den Nachlass vollstreckt, folgt schon aus § 1991 Abs. 3 BGB, dass diese Vollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich auch gegenüber den Einreden des § 1990 BGB Bestand haben sollen. Der Erbe kann insoweit die Aufhebung nur dann verlangen, wenn sie ihn an der Einhaltung der Rangfolge des § 1991 Abs. 4 BGB oder der Geltendmachung seiner Ersatzforderungen (§ 1978 Abs. 3 BGB) gegen den Nachlass hindern.
Rz. 24
Nicht geregelt ist, ob der Erbe auch den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Eigengläubiger in den Nachlass nach Abs. 1 widersprechen kann. Es stellt sich hier die Frage der analogen Anwendung des § 784 Abs. 2 ZPO. Die Frage wird unterschiedlich beantwortet. Eine Auffassung meint, dass wegen des völligen Schweigens des Gesetzgebers zu dieser Konstellation der Schluss zu ziehen sei, dass eine Analogie nicht in Betracht komme. Im Übrigen wird das Bedürfnis der analogen Anwendung deshalb abgelehnt mit der Begründung, dass in den Fällen, in denen ein Eigengläubiger des Erben aus dem Nachlass Befriedigung erlangt habe, der Erbe auf Kosten des Nachlasses ungerechtfertigt bereichert sei. Dem Nachlass stünde jetzt ein Anspruch gegen den Erben zu. Auf diesen könnten die Nachlassgläubiger zugreifen. Eine andere Auffassung betrachtet den Erben im Fall des § 1990 BGB selbst als "Verwalter des dürftigen Nachlasses". Er müsse deshalb auch wie ein Nachlassverwalter nach § 784 Abs. 2 ZPO vorgehen können. Man wird mit der Begründung der Auffassungen von Küpper und Dobler eine analoge Anwendung ablehnen müssen. Zusätzlich ist anzuführen, dass bei der klaren Gesetzeslage die für eine Analogie notwendige Lücke, mithin eine planwidrige Nichterfassung im Gesetz, fehlen dürfte.
Rz. 25
Die Einreden des § 1990 BGB sind nicht auf den Erben persönlich beschränkt. Sie können auch durch den Nachlasspfleger und den Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden; nicht dagegen durch den Nachlassverwalter. Ferner stehen sie bei in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten dem Gesamtgutverwalter und im Gesamtinsolvenzverfahren (§ 331 InsO) dem Insolvenzverwalter zu.