Rz. 8
Der Erbe ist, auch wenn die Voraussetzungen des § 1990 BGB nicht vorliegen – wenn also der Nachlass die Kosten einer Nachlassverwaltung oder die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens deckt – berechtigt, die Berichtigung der Vermächtnisse und Auflagen nach §§ 1990, 1991 BGB zu bewirken. Hat der Vermächtnisnehmer oder der Auflageberechtigte die Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen des Erben betrieben, kann dieser dem mit der Einrede aus § 1992 BGB entgegentreten und zwar in der gleichen Art und Weise wie im Falle der Dürftigkeitseinrede des § 1990 BGB. Die Bestimmung des § 780 Abs. 1 ZPO findet Anwendung, weshalb der Erbe sich auch gegenüber den Vermächtnis- und Auflagegläubigern die Beschränkung seiner Haftung im Urteil vorbehalten lassen muss. Bei der Befriedigung der Vermächtnis- und Auflagegläubiger ist die im Nachlassinsolvenzverfahren vorgesehene Rangfolge einzuhalten (§ 1991 Abs. 4 BGB i.V.m. § 329 Abs. 1 InsO: Pflichtteilsansprüche vor Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und Auflagen). Ein pflichtteilsvertretendes Vermächtnis (§ 2307 BGB) ist als Pflichtteil zu behandeln. Ihm gegenüber kann deshalb § 1992 BGB nicht eingewandt werden. Der Anspruch aus einem Titel (§ 1991 Abs. 4 BGB) genießt keine Sonderstellung.
Rz. 9
Lautet das Urteil auf Duldung der Zwangsvollstreckung in bestimmte Nachlassgegenstände, kann sich der Erbe im Urteil die Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Zahlung des Wertes dieser Gegenstände vorbehalten lassen. Die Wertbestimmung richtet sich dabei wie bei § 1973 BGB nach dem Zeitpunkt der ersten Geltendmachung des Abfindungsrechts. Der Erbe kann auch verlangen, dass ihm im Falle der Verurteilung die Befugnis eingeräumt wird, die Zwangsvollstreckung gegen Zahlung des festgesetzten Betrages abzuwenden. Vollstreckungsmaßnahmen in sein Eigenvermögen kann der Erbe, der sich die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass hat vorbehalten lassen (§ 780 Abs. 1 ZPO), gem. §§ 781, 784, 785 Abs. 1 ZPO aufheben lassen.
Rz. 10
Soweit der Nachlass nicht ausreicht, kann der Erbe die Berichtigung der Forderung verweigern. Er ist dann verpflichtet, den noch vorhandenen Nachlass an den anspruchstellenden Gläubiger herauszugeben (vgl. § 1991 Rdn 7 ff.). Was zu dem herauszugebenden Nachlass gehört, richtet sich nach § 1991 BGB. Zusätzlich gewährt S. 2 dem Erben das Recht, die Herausgabe der noch vorhandenen Nachlassgegenstände durch Zahlung des Wertes abzuwenden. Reicht der Nachlass zur Berichtigung eines solchen Anspruchs nicht aus, wandelt dieser sich in einen anteilig gekürzten Geldanspruch um. Der Gläubiger ist berechtigt, gegen Zahlung der Differenz die Herausgabe des zugewandten Gegenstandes in Natur zu verlangen.
Rz. 11
Im Hinblick auf die Aufrechnung gelten grundsätzlich die Ausführungen zu § 1991 BGB (vgl. § 1991 Rdn 9 und 10). Die Aufrechnung der Forderung eines Vermächtnisgläubigers gegen eine Eigenforderung des Erben ist ausgeschlossen, sobald die Voraussetzungen des § 1992 BGB vorliegen, weil der Erbe andernfalls doch eigenes Vermögen zur Befriedigung des Vermächtnisses oder der Auflage einsetzen müsste. Gegen eine Nachlassforderung können Vermächtnisgläubiger hingegen weiterhin aufrechnen, denn eine Aufrechnung wäre sogar nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens noch möglich.