I. Voraussetzungen der Fristbestimmung
Rz. 2
Die Inventarfrist wird nur auf Antrag eines Nachlassgläubigers gesetzt (Abs. 1 S. 1). Der Antrag kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts (§ 25 FamFG) erklärt werden. Antragsberechtigt ist grundsätzlich jeder Nachlassgläubiger i.S.v. § 1967 BGB, auch der Pflichtteilsberechtigte, der Vermächtnisnehmer und der Auflageberechtigte sowie der Pfandgläubiger, der die Nachlassforderung gepfändet hat. Nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss neu begründete Wohngeldschulden sind keine reinen Eigenschulden des Erben, sondern entweder Nachlasserbenschulden – also bei der Verwaltung des Nachlasses entstandene Verbindlichkeiten, die eine Doppelstellung haben, nämlich sowohl Eigenverbindlichkeiten des Erben als auch (soweit sie auf ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses beruhen) Nachlassverbindlichkeiten darstellen – oder (ausnahmsweise) reine Nachlassverbindlichkeiten. Dann aber ist die Wohnungseigentümergemeinschaft Nachlassgläubigerin i.S.d. Abs. 1 S. 1 und damit zur Antragstellung befugt.
Rz. 3
Ein Pflichtteilsberechtigter, der nicht Erbe ist, hat außerdem einen klagbaren Anspruch aus § 2314 BGB auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses (§ 260 BGB), das ggf. durch eidesstattliche Versicherung zu bekräftigen ist (§ 260 Abs. 2 BGB). Dieser Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Pflichtteilsberechtigte auch dem Erben eine Inventarfrist setzen lassen kann (§§ 1994 Abs. 1 S. 1, 2006 Abs. 1 BGB). Hat der Erbe (bereits) ein Inventar nach §§ 1993, 1994 BGB vorgelegt, kann der Pflichtteilsberechtigte auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit dieses Inventars klagen. Daneben kann er auch einen Antrag nach § 2006 BGB (Abgabe der eidesstattlichen Versicherung) stellen. Klage auf Vorlage eines gesonderten Bestandsverzeichnisses bedarf es (dann) nicht.
Rz. 4
Ob auch ein nach §§ 1973, 1974 BGB ausgeschlossener Nachlassgläubiger antragsberechtigt ist, ist sehr umstritten. Die (wohl) h.M. gesteht ihnen ein solches Antragsrecht zu Recht zu. Zwar kann im Verhältnis zu einem ausgeschlossenen Gläubiger durch Versäumung der Inventarfrist oder durch Inventaruntreue keine unbeschränkte Haftung mehr eintreten (§ 2013 Abs. 1 S. 2 BGB). Sinn und Zweck der Inventarfrist erschöpfen sich jedoch nicht in der Rechtsfolge der unbeschränkten Haftung bei Inventarverfehlungen. Sie dient auch dazu, den Nachlassgläubigern die Verfolgung ihrer Ansprüche gegen den Nachlass zu erleichtern (siehe oben Rdn 1). Dieser Zweck gilt auch im Verhältnis zu einem nach § 1973 BGB ausgeschlossenen Nachlassgläubigern. Er bleibt z.B. berechtigt, Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen. Das Inventar kann ihm die Entscheidung zur Antragstellung in diesen Verfahren erleichtern. Er hat Anspruch darauf, vor den Pflichtteils- und Vermächtnisgläubigern sowie Auflagenbegünstigten aus dem Nachlass befriedigt zu werden (§ 1973 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Erbe hat ihm den nach Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Nachlassgläubiger verbliebenen Nachlass herauszugeben (§ 1973 Abs. 2 BGB). Diese dem ausgeschlossenen Nachlassgläubiger verbliebenen Rechte unnötig einzuschränken besteht kein Anlass. Der Gegenauffassung ist allerdings einzuräumen, dass der klare und eindeutige Wortlaut der §§ 1973, 2013 Abs. 1 S. 2 BGB dem entgegensteht.
Rz. 5
Umstritten ist auch, ob ein Nachlassgläubiger, der zugleich Miterbe ist, antragsbefugt ist. Dies wird verneint mit der Begründung, der Miterbe sei selbst in der Lage, sich die erforderlichen Informationen zu verschaffen. Mit dem Antrag auf amtliche Inventaraufnahme könne ein (gesetzlicher) Miterbe von den übrigen potenziellen Miterben keine Auskunft über den Nachlass erlangen. Er sei berechtigt und ggf. sogar verpflichtet, selbst ein Inventar zu erstellen und dessen Richtigkeit an Eides statt zu versichern. Die Inventarfrist könnte daher nur dazu dienen, die unbeschränkte Haftung der anderen Erben herbeizuführen. Diese sei aber gerade im Verhältnis zu einem Miterbengläubiger jedoch ausdrücklich ausgeschlossen (§ 2063 Abs. 2 BGB). Nur zum Zwecke der Herbeiführung der Haftungsfolgen könne die Errichtung eines Inventars überdies nicht verlangt werden. Dem steht indes entgegen, dass das Gesetz für den Nachlassgläubiger-Miterben keine Ausnahme macht und auch dieser ein begründetes Interesse an der Antragstellung haben kann. Gerade die Praxis zeigt, dass Miterben in zahlreichen Fällen dem Nachlass eben nicht so nahe stehen, wie das Gesetz es vermutet. Oft ist es so, dass der Miterbe hinsichtlich der Kenntnis vom Nachlass mit einem Pflichtteilsberechtigten vergleichbar ist. Damit gibt das Inventar auch ihm die Möglichkeit, nach dem Erbfall die strategisch richtigen Entscheidungen treffen zu können, die er ohne diese Möglichkeit, weil er nicht die Mittel des Pflichtteilsberechtigten hat (§ 2314 BGB), in diesem Maße jedenfalls nicht hat. Man wird also auch dem N...