Gesetzestext
(1)1Führt der Erbe absichtlich eine erhebliche Unvollständigkeit der im Inventar enthaltenen Angabe der Nachlassgegenstände herbei oder bewirkt er in der Absicht, die Nachlassgläubiger zu benachteiligen, die Aufnahme einer nicht bestehenden Nachlassverbindlichkeit, so haftet er für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt. 2Das Gleiche gilt, wenn er im Falle des § 2003 die Erteilung der Auskunft verweigert oder absichtlich in erheblichem Maße verzögert.
(2)Ist die Angabe der Nachlassgegenstände unvollständig, ohne dass ein Fall des Absatzes 1 vorliegt, so kann dem Erben zur Ergänzung eine neue Inventarfrist bestimmt werden.
A. Allgemeines
Rz. 1
Die Bestimmung behandelt zunächst (Abs. 1) zwei weitere Fälle, in denen der Erbe allen Nachlassgläubigern gegenüber unbeschränkbar haften kann. Insoweit wird § 1994 Abs. 1 S. 2 BGB ergänzt, der die gleiche Folge an die Versäumung der Inventarfrist knüpft. Grund für die Regelung ist die Überlegung, dass das Inventar nur dann seinen Zweck, die Nachlassgläubiger über den Bestand des Nachlasses zu informieren, erfüllt, wenn es inhaltlich richtig ist, dass die Beteiligten, insbesondere die Nachlassgläubiger auf den Inhalt vertrauen und ihre Maßnahmen darauf abstellen können. Dabei wird davon ausgegangen, dass auch die amtliche Mitwirkung bei der Aufnahme des Inventars (§ 2002 BGB) oder die amtliche Aufnahme des Inventars selbst (§ 2003 BGB) die inhaltliche Richtigkeit des Inventars nicht gewährleisten können, wenn die Angaben des Erben nicht zutreffen oder unvollständig sind. Der Erbe soll durch diese Regelung zur Abgabe von vollständigen und richtigen Angaben veranlasst werden. Beide Tatbestände des Abs. 1 S. 1 sollen davor schützen, dass den Gläubigern ein zu geringer Bestand des Nachlasses vorgespiegelt wird. Die Rechtsfolgen, die an die Verfehlungen des Erben in Abs. 1 S. 1 geknüpft werden, gelten sowohl für das freiwillige als auch für das innerhalb der gesetzten Frist (erzwungene) erstellte Inventar. Demgegenüber setzt die Anwendung des Abs. 1 S. 2 eine dem Erben gesetzte Inventarfrist voraus. Alle Tatbestände des § 2005 BGB gelten nur für ein Inventar i.S.d. §§ 2002, 2003 BGB. Nach Abs. 2 kann dem Erben für den Fall, dass die Unvollständigkeit des Inventars auf einem fahrlässigen oder gänzlich schuldlosen Verhalten des Erben beruht, eine neue Inventarfrist bestimmt werden, die auch die erste sein kann. Auch Miterben können eine Inventaruntreue begehen. Sie können ihr Recht zur Beschränkung der Haftung allerdings lediglich bezogen auf den ihrem ideellen Erbteil entsprechenden Teil jeder Nachlassverbindlichkeit verlieren.
B. Tatbestand
Rz. 2
Der Erbe verliert sein Recht zur Beschränkung der Haftung in drei Fällen: wenn er absichtlich eine erhebliche Unvollständigkeit der im Inventar enthaltenen Angabe bzgl. der Nachlassgegenstände (§ 2001 BGB) herbeiführt (Abs. 1 S. 1 Alt. 1); wenn er in der Absicht, die Nachlassgläubiger zu benachteiligen, die Aufnahme einer nicht bestehenden Nachlassverbindlichkeit bewirkt (Abs. 1 S. 1 Alt. 2) und wenn er im Falle des § 2003 BGB die Erteilung der Auskunft verweigert oder absichtlich in erheblichem Maße verzögert (Abs. 1 S. 2).
I. Absichtlich unvollständige Angabe der Nachlassgegenstände
Rz. 3
Voraussetzung ist zunächst, dass eine objektiv erhebliche Unvollständigkeit vorliegt. Der Erbe muss demnach (subjektiv) Nachlassgegenstände in erheblichem Umfang – also von erheblichem Wert – verschweigen. Eine unrichtige Beschreibung der vollständig aufgeführten Nachlassgegenstände, unrichtige Wertangaben (vgl. § 2001 Abs. 2 BGB) oder die Nennung tatsächlich nicht vorhandener Nachlassgegenstände erfüllen den Tatbestand nicht. Absicht bedeutet mehr als nur Vorsatz. Der Erbe muss mit der Unvollständigkeit einen über das Inventar hinausgehenden Zweck – z.B. die Schädigung von Nachlassgläubigern, Täuschung der Steuerbehörden, Benachteiligung eines Miterben – verfolgt haben. Eine Benachteiligungsabsicht in Bezug auf die Nachlassgläubiger ist allerdings nicht erforderlich.
II. Aufnahme nicht bestehender Nachlassverbindlichkeiten
Rz. 4
Zwar bezieht sich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Inventars im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern (§ 2009 BGB) nicht auf die Nachlassverbindlichkeiten (Passiva; vgl. § 2009 Rdn 3). Nimmt der Erbe jedoch tatsächlich nicht bestehende Nachlassverbindlichkeiten in das Inventar auf, ist dies geeignet, den Nachlassgläubigern eine Überschuldung des Nachlasses vorzuspiegeln und sie hierdurch z.B. zum Abschluss eines für sie nachteiligen Vergleichs zu bewegen. Der Erbe muss in der Absicht gehandelt haben, die Nachlassgläubiger z...