Rz. 3

Die Vermutung hat allein den in § 2009 BGB angegebenen Inhalt. Sie gilt also nur hinsichtlich der Aktiva des Nachlasses, erstreckt sich nicht auf etwaige Angaben über deren Wert und/oder auf die Bezeichnung von Nachlassverbindlichkeiten. Sie bezieht sich nur auf die zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhanden gewesenen Nachlassgegenstände, nicht auf einen etwaigen Zuwachs.[7] Die Vermutung hat auch einen lediglich negativen Inhalt, indem angenommen wird, dass weitere Nachlassgegenstände (Aktiva) als die im Inventar angegebenen nicht vorhanden gewesen seien. Eine positive Rechtsvermutung für die Zugehörigkeit der angegebenen Gegenstände zum Nachlass wird dagegen nicht begründet.[8] Über den Beweiswert der durch die Vermutung nicht gedeckten Angaben entscheidet der Richter aufgrund freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO).

 

Rz. 4

Die Vermutung gilt nur im "Verhältnis zwischen dem Erben und den Nachlassgläubigern". Damit gilt sie nicht gegenüber den Eigengläubigern des Erben, den Erbschaftsbesitzern, den Nacherben, den Erbschaftskäufern, dem Testamentsvollstrecker und den Miterben, es sei denn, diese sind zugleich Nachlassgläubiger.[9] Nach Dobler[10] soll sie auch gegenüber einem Nachlass- und Nachlassinsolvenzverwalter gelten, die zugleich die praktische Bedeutung dieser Auffassung als nur gering ansieht, da der Erbe in den hier maßgeblichen Fällen ohnehin nicht beweisbelastet ist und deshalb auch nicht auf die Beweiserleichterung angewiesen ist. Die durch die Vermutung bewirkte Beweiserleichterung des Erben ist insbesondere bei der Vollstreckungsgegenklage des § 785 ZPO von Bedeutung. Die Vermutung ist eine reine Tatsachenvermutung, die durch den Beweis des Gegenteils entkräftet werden kann (§ 292 ZPO).[11] Der Gegenbeweis hat – positiv – zum Inhalt, dass bestimmte, im Inventar nicht aufgeführte Nachlassgegenstände doch zum Nachlass gehören. Gelingt dieser Beweis, wird die Vermutung der Vollständigkeit im Übrigen nicht entkräftet.[12] Hat der Erbe eine Inventaruntreue (§ 2005 Abs. 1 BGB) begangen, bleibt die Vermutung wirkungslos (vgl. § 2005 Rdn 11). Verweigert der Erbe die eidesstattliche Versicherung des Inventars, dann entfällt die Vermutung demjenigen Nachlassgläubiger gegenüber, der den Antrag gestellt hatte (vgl. § 2006 Rdn 11).

[7] MüKo/Küpper, § 2009 Rn 3; Staudinger/Dobler, § 2009 Rn 3.
[8] Staudinger/Dobler, § 2009 Rn 3.
[9] Erman/Horn, § 2009 Rn 2; MüKo/Küpper, § 2009 Rn 4.
[10] Vgl. ausführlich Staudinger/Dobler, § 2009 Rn 3.
[11] MüKo/Küpper, § 2009 Rn 5; Staudinger/Dobler, § 2009 Rn 5.
[12] MüKo/Küpper, § 2009 Rn 5.

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