Gesetzestext
1Dem Fiskus als gesetzlichem Erben kann eine Inventarfrist nicht bestimmt werden. 2Der Fiskus ist den Nachlassgläubigern gegenüber verpflichtet, über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen.
A. Allgemeines
Rz. 1
Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erbe angefallene Erbschaft nicht ausschlagen (§ 1942 Abs. 2 BGB). Das hat den Zweck, dass der Nachlass nicht herrenlos wird (vgl. § 1942 Rdn 1 ff.). Deshalb schützt das Gesetz den Fiskus anderweitig vor den Gefahren, die sich aus dem Anfall der Erbschaft hinsichtlich der Haftung wegen Nachlassverbindlichkeiten ergeben können. Den Schutz verwirklicht der Gesetzgeber an mehreren Stellen: Gegen den Fiskus als gesetzlichen Erben kann ein Recht erst geltend gemacht werden, wenn vom Nachlassgericht festgestellt worden ist, dass ein anderer Erbe nicht vorhanden ist (vgl. § 1966 BGB); der Fiskus kann sich als gesetzlicher Erbe auf die Beschränkung seiner Haftung auch dann berufen, wenn sie ihm im Urteil nicht vorbehalten ist (§ 780 Abs. 2 ZPO), und dem Fiskus als gesetzlichem Erben kann eine Inventarfrist nicht gesetzt werden (§ 2011 S. 1 BGB). Die neue (alte) – aber amtliche – Überschrift des § 2011 BGB ist zumindest missverständlich. Denn entgegen der möglichen Auslegung dieser Überschrift gilt auch diese Vorschrift, wie die anderen benannten, nur dann, wenn der Fiskus gesetzlicher Erbe ist. Für den Fall, dass ihm etwas im Wege der gewillkürten Erbfolge zugewandt wird, gelten die allg. Bestimmungen. Auf Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, die gem. Art. 138 EGBGB nach Landesrecht anstelle des Fiskus gesetzlicher Erbe werden, ist § 2011 BGB ebenfalls anwendbar. Gleiches gilt, wenn der Fiskus gem. Art. 139 EGBGB gesetzlicher Erbe einer verpflegten oder unterstützten Person wird.
B. Tatbestand
I. Keine Inventarfrist (S. 1)
Rz. 2
Da dem Fiskus keine Inventarfrist gesetzt werden kann, kann er sein Recht auf Haftungsbeschränkung auch nicht durch Versäumung der Inventarfrist verlieren. Lebensfremd dürfte es sein anzunehmen, der Fiskus würde durch seine Vertreter im Einzelfall ein Inventar – mit Rücksicht auf die Vermutung des § 2009 BGB – erstellen. Das Recht zur Haftungsbeschränkung muss der Fiskus wie jeder andere Erbe auch geltend machen. Er muss also die Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragen, das Aufgebotsverfahren betreiben oder sich auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen. Wird gegen den Fiskus als gesetzlichen Erben, was in der Praxis eher selten ist, die Zwangsvollstreckung betrieben, bleibt die Beschränkung seiner Haftung so lange unberücksichtigt, bis er Einwendungen geltend macht (§ 780 ZPO; nach § 15 Nr. 3 EGZPO bleiben etwaige landesrechtliche Vorschriften, die ihn davon befreien, unberührt). Wie bereits dargestellt, sind ihm die Einwendungen auch dann gestattet, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben wird, keinen Vorbehalt enthält (§ 780 Abs. 2 ZPO).
II. Auskunftspflicht des Fiskus (S. 2)
Rz. 3
Als Ersatz dafür, dass er ein Inventar nicht errichten muss, hat das Gesetz dem Fiskus die Verpflichtung auferlegt, den Nachlassgläubigern über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen (§ 2011 S. 2 BGB). Inhaltlich geht die Auskunftspflicht dahin, dass der Fiskus ein Verzeichnis über den Nachlass (§ 260 BGB) vorlegen muss. Anders als das Inventar betrifft das Verzeichnis über den Nachlass den gegenwärtigen Bestand desselben und nicht den Bestand zum Zeitpunkt des Erbfalls. Sollten – im Ausnahmefall – die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen, ist auch der Fiskus, dann vertreten durch den Leiter der ihn vertretenden Behörde, verpflichtet, die eidesstattliche Versicherung zu leisten. Eine Rechenschaftspflicht kann sich u.U. nach den §§ 666, 1978 BGB ergeben. Der Auskunftsanspruch besteht erst nach Feststellung des Erbrechts des Fiskus (§§ 1964, 1966 BGB). Eine Verletzung der Auskunftspflicht führt nicht zum Verlust des Rechts der Haftungsbeschränkung. Verweigert der Fiskus, was ebenfalls selten vorkommen dürfte, die Auskunft, dann muss der Nachlassgläubiger vor dem Prozessgericht Klage auf Erteilung der Auskunft erheben.