Rz. 28
Wird ein Miterbe mit dem Ziel vertreten, seine Stellung als Alleinerbe zu erreichen, oder eine enterbte Person mit dem Ziel, eine (Mit-)Erbenstellung zu erreichen, so ist für den Gegenstandswert der Wert der beabsichtigten Besserstellung maßgebend.
Beispiel
Der verwitwete Erblasser E hinterlässt ein Vermögen i.H.v. 900.000 EUR. Seine drei Kinder A, B, und C sind gesetzliche Erben zu je ⅓. Kurz nach dem Tod taucht jedoch ein Testament auf, wonach C von der Erbfolge ausgeschlossen sein soll. Wenn der Anwalt C vertritt mit der Maßgabe, die Unwirksamkeit des Testaments zu erreichen, liegt der Gegenstandswert bei 150.000 EUR. Denn als Pflichtteilsberechtigter hätte er auch bei Enterbung einen Anspruch auf 1/6 des Nachlasswertes, mithin 150.000 EUR. Seine beabsichtigte Besserstellung kann sich mithin nur auf die Differenz zu dem beziehen, was er ohnehin erhält (den Pflichtteil).
Wird einer der Miterben A oder B vertreten und wird gegen diesen vertretenen Miterben als Gesamtschuldner der gesamte Pflichtteil geltend gemacht wird, ist das wirtschaftliche Interesse des Miterben an der Vertretung der Pflichtteilsanspruch in der geltend gemachten Höhe (und nicht etwa lediglich der Anteil, zu dem der Miterbe im Innenverhältnis der Erbengemeinschaft die Pflichtteilslast zu tragen hat).
Wird der Anwalt ausschließlich mit der Abwehr des Angriffs gegen die Wirksamkeit des Testaments beauftragt, betrüge der Gegenstandswert 75.000 EUR. Denn um diesen Betrag verringert sich jeweils der Nachlasswert zum Nachteil von A und B, wenn C Miterbe würde, da der Anspruch des C auf den Pflichtteil ihm in jedem Fall verbliebe (bei Wirksamkeit des Testaments: 450.000 EUR Erbanteil, abzgl. des Pflichtteilsanspruchs des C, soweit er im Innenverhältnis zu tragen ist, i.H.v. 75.000 EUR= 375.000 EUR; bei Unwirksamkeit verringert sich die Erbquote von ½auf ⅓, der Wert des Erbteils wäre mithin lediglich noch 300.000 EUR; Besserstellung bei Wirksamkeit mithin 375.00 EUR abzgl. 300.000 EUR = 75.000 EUR).
Rz. 29
Werden beide Miterben vertreten, so sind in diesem Fall die Werte zu addieren und die Gebühren gem. § 13 RVG, Nr. 1008 VV RVG zu erhöhen. Anders als bei der Vertretung mehrerer Pflichtteilsberechtigter (die wegen möglicher Interessenkollision des Anwalts ohnedies zu vermeiden ist) liegt hier eine Angelegenheit vor. Wegen des Risikos der Interessenkollision vgl. Rdn 35 f.
Rz. 30
Der Wert des Erbteils berechnet sich nach einer Auffassung in Anlehnung an § 46 Abs. 4 KostO nach dem Nettonachlasswert ohne Abzug von Vermächtnissen, Pflichtteilsansprüchen und Auflagen. Ob der Wert nun – nach Inkrafttreten des GNotKG – gleichermaßen nach § 102 Abs. 1 GNotKG berechnet werden soll, wonach Verbindlichkeiten nur bis zur Hälfte des Vermögens abgezogen werden sollen, ist bislang offen. Dieser Weg der Wertermittlung ist jedenfalls dann nicht überzeugend, wenn es i.R.d. Mandats nicht um die Erlangung der Erbenstellung, sondern um die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft geht. Denn Gegenstand der anwaltlichen Beratung ist selbstverständlich auch und gerade die Abwehr der Forderungen bzw. Rat zur Erfüllung, wenn die Forderung berechtigt ist. Würde der Anwalt zur Begleichung einer Nachlassverbindlichkeit raten, obgleich diese nicht zu erfüllen ist, so könnte ihn der Miterbe freilich auch dafür in die Haftung nehmen. Generell gilt: Ist der Nachlass mit Verbindlichkeiten belastet, so wird sich das Mandat des Anwalts im Zweifel auch darauf erstrecken, die persönliche Haftung des Mandanten im Außenverhältnis mit der Gesamtforderung zu verhindern (gesamtschuldnerische Haftung der Erben, § 2058 BGB).
Allein dies zeigt, dass für die Berechnung des Gegenstandswertes die Summe die Verbindlichkeiten in voller Höhe zum Wert des Erbteils des Mandanten zu addieren ist, soweit der Anwalt hier mit der Vertretung beauftragt worden ist. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollte der Anwalt über die Höhe des Gegenstandswertes eine Vergütungsvereinbarung schließen.