1. Erbengemeinschaft/Miterbe als Mandant
Rz. 16
Der Anwalt, der eine gegen die Erbengemeinschaft geltend gemachte Forderung abwehren soll, wird zunächst sehr genau zu prüfen haben, ob er tatsächlich alle Miterben vertreten kann oder ob hier nicht Interessenkollision droht (siehe hierzu auch Rdn 35). Nach der Entscheidung des II. Senats des BGH zur Rechtsfähigkeit der GbR wurde (erneut) diskutiert, ob diese Rspr. auf die Erbengemeinschaft zu übertragen sei. Die Diskussion ist durch die Entscheidung des XII. Senats sowie des VIII. Senats zugunsten der bisherigen Rechtsauffassung beendet worden. Zwar ist auch bei der Erbengemeinschaft ein durch die Gesamthand gebundenes Sondervermögen vorhanden, aber die Erbengemeinschaft ist im Gegensatz zur GbR dadurch gekennzeichnet, dass sie gesetzlich und nicht rechtsgeschäftlich begründet wird. Außerdem ist die Erbengemeinschaft auf Auseinandersetzung gerichtet und keine werbende Gesellschaft. Es bleibt mithin dabei, dass jeder einzelne Miterbe im Prozess Partei bleibt. Etwas anderes gilt lediglich im sozialgerichtlichen Verfahren, § 70 Nr. 2 SGG.
Rz. 17
Einer oder mehrere Miterben können Forderungen der Erbengemeinschaft im Aktivprozess geltend machen. Wegen § 2039 BGB ist auf Leistung an sämtliche Miterben zu klagen (nicht lediglich auf Leistung an die Erbengemeinschaft, da sie keine eigene Rechtspersönlichkeit hat). Dies gilt auch dann, wenn ein Erbe Nachlassforderungen gegen einen Miterben geltend macht: In diesem Fall ist ebenfalls auf Leistung an sämtliche Miterben zu klagen (vgl. zur Taktik u. Antragsformulierung § 2039 Rdn 13 f.). Regelmäßig wird es falsch sein, die Nachlassforderung um den Anteil des verklagten Miterben mit der Begründung zu kürzen, dass er insoweit ohnedies Inhaber der Forderung sei. Dies wäre nur dann zulässig, wenn der Nachlass im Übrigen bereits teilungsreif ist. Andernfalls würde es sich um eine unzulässige Teilauseinandersetzung des Nachlasses handeln (vgl. hierzu auch Rdn 34).
Rz. 18
In einem Prozess unter Beteiligung der vollständigen Gemeinschaft sind deshalb die einzelnen Miterben selbst Partei. Dies hat zur Folge, dass jeder Einzelne prozessualen oder materiell-rechtlichen Einwendungen ausgesetzt sein kann oder solche geltend macht. Miterben sind daher im Aktivprozess wohl auch nicht notwendige Streitgenossen (siehe auch § 2039 Rdn 13).
Rz. 19
Der Anwalt, der Erben im Prozess vertritt, hat stets an die Haftungsbeschränkung gem. § 780 ZPO zu denken, die ausdrücklich beantragt werden muss. Dies gilt ebenfalls, wenn ein Miterbe klagt. Für den Fall des Unterliegens ist ausdrücklich Haftungsbeschränkung auch hinsichtlich der Kostentragungspflicht zu beantragen.
2. Erbengemeinschaft als Gegner
Rz. 20
Da die Miterben gem. § 2058 BGB als Gesamtschuldner haften, kann jeder einzelne Miterbe auf die Gesamtforderung verklagt werden und nicht lediglich auf den Anteil, der seiner Erbquote entspricht (Einzelheiten siehe § 2058 Rdn 1). Der Gläubiger kann es sich aussuchen, ob er Gesamtschuldklage (also auf Haftung eines oder einiger Miterben für die gesamte Schuld, § 2058 BGB) oder Gesamthandsklage (also Klage auf Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlass, § 2059 Abs. 2 BGB) erhebt.
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Gesamtschuldklage |
Gesamthandsklage |
Voraussetzung |
Klage gegen einen oder mehrere Miterben vor oder nach der Nachlassteilung möglich |
Klage gegen alle sich widersetzenden Miterben nur bis zur Teilung möglich, § 2059 Abs. 2 BGB |
Streitgenossenschaft |
Keine notwendige, sondern lediglich einfache Streitgenossenschaft; die Erben können einzeln verklagt werden |
Notwendige Streitgenossenschaft, § 62 ZPO, zwischen den sich widersetzenden Miterben, da Verfügung über Nachlassgegenstände nur gemeinschaftlich möglich, § 2040 Abs. 1 BGB; siehe hierzu auch § 2040 Rdn 2 f und 11; im Sozialrecht kann eine notwendige Streitgenossenschaft der Miterben nach § 74 SGG, § 62 Abs. 1 ZPO bestehen |
Verteidigungsmöglichkeit der Erben im Prozess |
Haftungsbeschränkungsvorbehalt gem. § 780 ZPO (um Vollstreckung in das Eigenvermögen des Erben u. Pfändung des Erbteils zu verhindern) Aufschiebende Einreden gem. §§ 2014–2017 BGB |
Haftungsbeschränkungsvorbehalt gem. § 780 ZPO überflüssig, da Urteil nur auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass lautet; Vorbehalt aber insbesondere in Zweifelsfällen möglich Aufschiebende Einreden gem. §§ 2014–2017 BGB |
Zwangsvollstreckung siehe hierzu auch Rdn 22 ff. |
Vollstreckung in das Eigenvermögen des Erben (unter der ... |