1. Auseinandersetzung länger als ein Jahr ausgeschlossen
Rz. 56
Abs. 2 S. 3 enthält eine Ausnahme des Grundsatzes, dass die Früchte der Erbengemeinschaft erst bei der Auseinandersetzung zu teilen sind (siehe Rdn 54). Diese – einzige – Ausnahme gilt nur bei Ausschluss der Auseinandersetzung für einen Zeitraum von länger als einem Jahr. Die Jahresfrist ist seit dem Erbfall zu berechnen, Rechtsgedanke aus § 188 Abs. 2 BGB. Sie gilt nicht bereits, wenn lediglich ein Jahr seit dem Erbfall vergangen ist. Die bloße Verzögerung der Auseinandersetzung über ein Jahr hinaus genügt nicht; dies gilt auch, wenn die Verzögerung durch den leistungspflichtigen Miterben verschuldet wird. Erforderlich ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift, dass die Auseinandersetzung "ausgeschlossen" ist, mithin ein Fall der §§ 2042 Abs. 2, 749 Abs. 2, 2043, 2044, oder 2045 BGB vorliegt. Schwierigkeiten bereiten Verfügungen mit einem bei Eintritt des Erbfalls unbestimmten Ende des Verbots (z.B. Ausschluss der Auseinandersetzung, bis eine bestimmte Person eine Berufsausbildung abgeschlossen hat oder eine bestimmte Person verstorben ist). Hier kann beim Erbfall noch nicht festgestellt werden, ob ein Fall des Abs. 2 S. 3 vorliegt. Es kann hier jedoch allein auf eine nachträgliche Betrachtungsweise ankommen: Ist seit dem Erbfall mehr als ein Jahr vergangen und konnte die Erbengemeinschaft aufgrund eines kalendermäßig nicht bestimmbaren Auseinandersetzungsverbots nicht auseinandergesetzt werden, so erwächst der Anspruch auf Teilung des Reinertrags. Eine Betrachtung "im Vorhinein" im Sinne einer "ex-ante-Beurteilung" verbietet sich, da es dann auf bloße Mutmaßungen ankäme.
2. Am Schluss jedes Jahres
Rz. 57
Die Formulierung des Gesetzes lässt offen, welcher Jahresschluss gemeint ist. Für den 31.12. als den Schluss des Kalenderjahres finden sich im BGB keine vergleichbaren Normen. Der Rechtsgedanke aus § 188 Abs. 2 BGB lässt auf einen Zeitraum von zwölf Monaten seit dem Erbfall schließen. Dies führt in der Praxis jedoch zu Mehraufwand bei der Umsetzung, wenn das Abrechnungsjahr der Erbengemeinschaft ("Geschäftsjahr") – wie meist üblich – mit dem Kalenderjahr identisch ist und nicht zwölf Monate nach dem Erbfall endet, so dass der Gewinn und Verlust zu zwei Stichtagen ermittelt werden müsste.
Praktikabel und naheliegend ist – entsprechend der Regelung des § 721 Abs. 2 BGB – der Schluss des Geschäftsjahres, mithin der Stichtag auf den die Erbengemeinschaft steuerrechtlich ihre Gewinne und Verluste einheitlich und gesondert feststellt. Dieser Stichtag wird häufig identisch mit dem Schluss des Kalenderjahres sein, zwingend ist dies hingegen nicht: Die Erbengemeinschaft kann auch einen hiervon abweichenden Zeitpunkt wählen. Im Jahr des Erbfalls erfolgt die Gewinnermittlung zweckmäßiger auf den 31.12. ("Rumpfgeschäftsjahr") und dann folgend jeweils zum Ende des Geschäftsjahres = Ende des Kalenderjahres. Hat sich die Erbengemeinschaft auf eine derartige Abrechnung verständigt, entsteht der Anspruch auf Verteilung erstmals am Schluss des Rumpfgeschäftsjahres.
Kann sich die Erbengemeinschaft auf eine derartige Abrechnung jedoch nicht einvernehmlich einigen, wird der eine Fruchtteilung begehrende Miterbe frühestens zwölf Monate nach dem Erbfall diesen Anspruch erfolgreich geltend machen können (Arg. § 188 Abs. 2 BGB).
3. Teilung des Reinertrages
Rz. 58
Unter Reinertrag sind die Einkünfte der Erbengemeinschaft abzüglich der Aufwendungen zu verstehen. Nach Löhnig habe sich die vorzeitige Verteilung der Früchte an dem Anteil der Erben an dem Nachlass zu orientieren, da es eine vorweggenommene Auseinandersetzung sei. Wer also aufgrund eines Vorempfangs keinen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben hätte, würde auch an der Fruchtziehung nicht zu beteiligen sein. Diese Auffassung findet im Gesetz keinen Rückhalt und erscheint auch nicht praxisgerecht: Solange ein Miterbe an der Erbengemeinschaft beteiligt ist, ist er bei der Verteilung der Früchte ohne Einschränkung zu berücksichtigen. Hieran ändern auch etwaige Vorempfänge eines Miterben gem. §§ 2050 ff. BGB nichts, die er sich bei der Auseinandersetzung anrechnen lassen muss. Denn die endgültig zur Verteilung anstehende Erbmasse steht erst fest, wenn keine Erträge mehr realisiert werden. Erst dann lässt sich endgültig bestimmen, welches Auseinandersetzungsguthaben einem Erben zusteht. Mag es zwar sein, dass aus der Sicht eines Jahres einem Erben (mutmaßlich) kein Anspruch mehr auf Auszahlung bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zusteht. Dies kann sich jedoch im folgenden Jahr schon wieder ändern, weil die Erbengemeinschaft weitere Erträge erzielt, die zusammen mit dem übrigen Auseinandersetzu...