I. Verfügung gegenüber der Erbengemeinschaft
Rz. 6
Abs. 1 gilt auch entsprechend für Verfügungen gegenüber der Erbengemeinschaft, obgleich dies vom Wortlaut nicht ausdrücklich umfasst ist. Es folgt jedoch aus dem Rechtsgedanken des Abs. 1; würde bspw. lediglich ein Miterbe auf Auflassung eines Grundstückes im Wege der Klage in Anspruch genommen und verurteilt werden, so nützt dem Gläubiger das rechtskräftige Urteil wegen Abs. 1 nichts, wenn die übrigen Miterben nun ihrerseits die Auflassung verweigern (zum prozessualen Vorgehen und zum Klageantrag siehe Rdn 9). Bei Verfügungen, die eine Mitwirkung der Erbengemeinschaft nicht erfordern, kann daher nichts anderes gelten. Deswegen sind Gestaltungserklärungen (siehe bereits Rdn 2 f.) wie Kündigung oder Rücktritt stets gegenüber allen Miterben zu erklären. Bei der Anfechtung ist zu unterscheiden, ob eine Erklärung anzufechten ist, die gegenüber dem Erblasser abgegeben worden war (dann Anfechtung gegenüber allen Miterben als Rechtsnachfolgern) oder eine Erklärung, die lediglich einem Miterben gegenüber abgegeben worden war, (dann Anfechtung gegenüber diesem Miterben), wobei die weitere Wirksamkeit des Vertrages dann nach § 139 BGB zu beurteilen ist.
II. Verfügung ohne Zustimmung aller Erben
Rz. 7
Verfügen entgegen der zwingenden Vorschrift des § 2040 BGB einer oder mehrere Miterben ohne Zustimmung aller Miterben, so ist die Verfügung bis zur Genehmigung schwebend unwirksam. Wird die Genehmigung versagt oder war bereits im Vorfeld die Einwilligung verweigert worden, so ist die Verfügung endgültig unwirksam. Der Verfügungsempfänger, auch ein Miterbe, kann i.R.d. allg. Vorschriften gutgläubig erwerben, §§ 892, 932 ff. BGB. Der eigenmächtig verfügende Miterbe haftet dann ggf. der Erbengemeinschaft auf Schadensersatz gem. §§ 816 Abs. 1 S. 1, 823 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB. Hinzu kommt eine mögliche strafrechtliche Verantwortlichkeit gem. § 266 StGB (Untreue).
Rz. 8
Nach der geänderten Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis von § 2038 BGB zu § 2040 BGB bei Verfügungen der Erbengemeinschaft (siehe hierzu § 2038 Rdn 15, 69) bleiben für die Praxis Fragen offen: Welche Verfügungen werden künftig von dieser Rechtsprechung erfasst? Welche Möglichkeiten hat die Mehrheit der Erben (oder im Rahmen der Notverwaltung die Minderheit), Verfügungen mit Wirkung für die gesamte Erbengemeinschaft vorzunehmen? Ermächtigt die Mehrheitsentscheidung nach §§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, 745 BGB dann beispielsweise auch (vgl. hierzu § 2038 Rdn 61), die Auflassung von zum Nachlass gehörenden Immobilien zu erklären (vgl. hierzu § 2038 Rdn 69)? Muss das Grundbuchamt aufgrund einer derartigen Mehrheitsentscheidung einen Eigentumswechsel im Grundbuch eintragen? Wie soll sich der Rechtspfleger von dem Vorliegen der Voraussetzungen überzeugen können? Vor der Rechtsprechungsänderung des BGH war es überwiegende Auffassung, dass auch eine Mehrheitsentscheidung gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB der Erbengemeinschaft nicht die Zustimmung aller Miterben ersetzt, sondern lediglich eine Verpflichtung begründet, an der Verfügung mitzuwirken oder einzuwilligen. Diese Verpflichtung war dann ggf. im Wege der Klage durchzusetzen (siehe hierzu Rdn 9). Nach § 2040 BGB gibt es kein "Notverfügungsrecht". Die Rechtsprechung wendete hier jedoch schon länger § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB auf Verfügungen als "vorrangige" Norm an. Die Abgrenzungsprobleme beschäftigen die Praxis bis zur weiteren Klärung durch die Rechtsprechung(siehe auch § 2038 Rdn 69).