Gesetzestext
(1)Die Erben können über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen.
(2)Gegen eine zum Nachlass gehörende Forderung kann der Schuldner nicht eine ihm gegen einen einzelnen Miterben zustehende Forderung aufrechnen.
A. Allgemeines
Rz. 1
§ 2040 BGB ist wie § 2033 BGB Ausdruck des Gesamthandsprinzips der Erbengemeinschaft. Systematisch hätte er zutreffend als Abs. 3 des § 2033 BGB eingefügt werden müssen, da Abs. 1 normiert, unter welchen Voraussetzungen die Miterben über einen Nachlassgegenstand verfügen können – nicht durch Verfügung über ihren Anteil am Nachlassgegenstand (§ 2033 Abs. 2 BGB), sondern durch gemeinschaftliche Verfügung über den Nachlassgegenstand (Abs. 1). Im Gegensatz zur Verwaltung (siehe § 2038 BGB) greift eine Verfügung in den "Kernbestand" der Erbengemeinschaft ein und muss i.R.d. Gesamthandsgemeinschaft nicht lediglich mehrheitlich, sondern gemeinschaftlich, also einstimmig erfolgen. Andernfalls würde dies dazu führen, dass einzelne Erben "vollendete Tatsachen" schaffen und die übrigen Erben darauf angewiesen wären, "im Nachhinein" ihre Ansprüche geltend zu machen. Abs. 1 entspricht im Wesentlichen § 747 S. 2 BGB (Verfügung über gemeinschaftliche Gegenstände). Abs. 2 entspricht im Wesentlichen § 719 Abs. 2 BGB (gesamthänderische Bindung) und ist gleichfalls konsequente Umsetzung des Gesamthandsprinzips: könnte der Schuldner einer Nachlassforderung mit Verbindlichkeiten aufrechnen, die ein einzelner Miterbe ihm gegenüber hat, dann würde die Nachlassforderung aus dem Verfügungsbereich der Erbengemeinschaft herausgelöst werden. Dies widerspräche dem Prinzip der gesamthänderischen Bindung der Nachlassforderungen.
B. Tatbestand
I. Abs. 1
Rz. 2
Erforderlich ist Zustimmung aller Miterben, §§ 182 ff. BGB. Diese muss mithin nicht gleichzeitig, sondern kann auch nacheinander einzeln im Vorfeld (Einwilligung, § 183 S. 1 BGB) oder nachträglich (Genehmigung, § 184 Abs. 1 BGB) erfolgen (siehe auch § 2038 Rdn 10 sowie unten Rdn 7 f. für die Fälle, in denen keine gemeinschaftliche Verfügung vorliegt). Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar darauf gerichtet ist, auf das Recht am Nachlassgegenstand einzuwirken, es also entweder auf einen Dritten zu übertragen, mit einem Recht zu belasten, das Recht aufzuheben oder es sonstwie in seinem Inhalt zu verändern. Jedes dingliche Rechtsgeschäft ist "Verfügung", da es ohne weiteres auf das Recht am Nachlassgegenstand einwirkt. Die (bloße) schuldrechtliche Verpflichtung ist keine Verfügung, da jene noch nicht unmittelbar auf das Recht am Nachlassgegenstand einwirkt.
Rz. 3
Es gibt jedoch auch im Bereich des Schuldrechts Erklärungen, die unmittelbar ein Schuldverhältnis umgestalten und daher Verfügungen sind. Z.B. sind der Erlass (§ 397 BGB), die Abtretung (§§ 398 ff. BGB), die befreiende Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) und die Vertragsübernahme Verfügungen i.S.v. § 2033 Abs. 2 BGB. Gestaltungserklärungen wie Anfechtung (§§ 119 ff. BGB), Rücktritt (§ 349 BGB), Aufrechnung (§ 388 BGB) und Kündigung wirken auch unmittelbar auf ein Recht am Nachlassgegenstand ein und sind daher ebenfalls Verfügungen (siehe auch § 2038 Rdn 15 und 69). Auch die Zwangsvollstreckung gem. §§ 857, 859 Abs. 2 ZPO ist Verfügung i.S.v. § 2033 BGB, so dass der Nachlassanteil, nicht hingegen der Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen, gepfändet werden kann.
II. Abs. 2
1. Zum Nachlass gehörende Forderung
Rz. 4
Siehe hierzu § 2039 Rdn 2.
2. Aufrechnung gegen eine einzelnen Miterben zustehende Forderung
Rz. 5
Das Aufrechnungsverbot des Abs. 2 folgt letztlich bereits aus § 367 BGB: Gläubiger der Forderung ist die Erbengemeinschaft als Gesamthand (siehe auch § 2032 Rdn 4); die Erbengemeinschaft ist jedoch nicht gleichzeitig Schuldner der (aufzurechnenden) Gegenforderung. Somit besteht keine Gegenseitigkeit der Forderungen und daher auch keine Aufrechnungslage. Würde man abweichend von §§ 367, 2040 Abs. 2 BGB eine Aufrechnung in solchen Fällen zulassen, so würde das Nachlassvermögen ohne Einflussmöglichkeit der übrigen Miterben und zum Nachteil der übrigen Nachlassgläubiger verringert werden. Nach einer Auffassung soll die Aufrechnung dann zulässig sein, wenn ein Nachlassschuldner eine Eigenforderung gegen alle Miterben als Gesamtschuldner hat. Zwar fehle es auch hier an der Gegenseitigkeit der Forderungen; da der Nachlassschuldner jedoch die Möglichkeit habe, alle Miterbenanteile pfänden zu lassen und die Auseinandersetzung ohne Mitwirkung aller Miterben durchzuführen, soll ihm dieser "U...