1. Übernahme
Rz. 25
Es muss eine Übernahme des Landguts durch einen Erben erfolgen. Unerheblich ist, ob zum Zeitpunkt der Übernahme tatsächlich eine Bewirtschaftung stattfindet, denn es ist ausreichend, dass zu Zwecken der Landwirtschaft übernommen wird. Dabei ist es auch ausreichend, wenn der übernehmende Erbe das Landgut für einen pflichtteilsberechtigten Abkömmling übernimmt, der es später bewirtschaften soll, aber zum Übernahmezeitpunkt, z.B. wegen Minderjährigkeit, als Übernehmer ausscheidet. Ausgeschlossen ist daher eine Übernahme im Sinne der Vorschrift, wenn der Betrieb vollständig eingestellt wurde und eine Wiederaufnahme nicht ernsthaft in Aussicht steht. Es ist dabei für die Anwendung von § 2049 BGB nicht ausreichend, wenn die abstrakte Möglichkeit besteht, dass zu irgendeinem späteren Zeitpunkt wieder eine Bewirtschaftung erfolgt. Gleiches gilt, wenn der Erbe in absehbarer Zeit die Veräußerung des ganzen Betriebs oder eines wesentlichen Teils beabsichtigt oder die Landwirtschaft endgültig aufgeben will.
2. Übernehmer
Rz. 26
§ 2049 BGB schreibt im Gegensatz zu § 2312 Abs. 3 BGB nach seinem Wortlaut nicht vor, dass der übernehmende Erbe, anders als im Bereich der Höfeordnung, einer besonderen Qualifikation bedarf. § 2049 BGB sieht auch nicht vor, dass der Landgutübernehmer zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehören muss. Dennoch ist eine Anwendung auf andere Übernehmer abzulehnen. Bereits in der Kommentierung von Planck wird darauf hingewiesen, dass die Übernahme eines Landguts ausnahmsweise eine Ungleichbehandlung der Abkömmlinge rechtfertigen kann. Eine Benachteiligung der engsten, pflichtteilsberechtigten Familienangehörigen des Erblassers gegenüber außenstehenden Dritten ist hingegen nicht zu rechtfertigen, denn die Vorschrift des § 2049 BGB will zugleich sichern, dass das Landgut in der Familie bleiben soll und hierfür Erleichterungen gewährleisten. Demnach ist die Vererbung zu Vorzugsbedingungen nur anzunehmen, wenn der Übernehmer ein Abkömmling, auch Enkel oder Urenkel, Elternteil oder der Ehegatte des Erblassers ist.
Rz. 27
Diskutiert wird bei unverheirateten, kinderlosen Erblassern, bei denen also allenfalls Eltern zum Kreis der Personen des § 2303 BGB gehören können, ob eine Vorzugsvererbung an eine Nichte oder einen Neffen erfolgen kann. Die wohl herrschende Meinung lehnt das hingegen ab. Eine derartige Ausnahmevorschrift kann nur auf einen besonders begrenzten Personenkreis erstreckt werden. Dafür spricht die einheitliche Betrachtung der Vorschrift mit § 2312 BGB. Gegen diese Auffassung könnte hingegen die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sprechen. § 2049 BGB wurde von der 2. Kommission in der Revisionslesung in das Gesetz aufgenommen, ebenso wie § 2312 Abs. 1 S. 1 BGB. § 2312 Abs. 3 BGB, der die Beschränkung auf Personen nach § 2303 BGB enthält, wurde erst durch den Bundesrat eingefügt. Ziel beider Vorschriften war die Erhaltung und Kräftigung des ländlichen Grundbesitzerstandes. Eine Einschränkung der im Gesetz angedachten Gleichbehandlung der Abkömmlinge und im Einzelfall eine erhebliche Beeinträchtigung einzelner Abkömmlinge schien für diesen Zweck hinnehmbar. Greift man auf diesen Ausgangspunkt zurück, lässt sich bei Fehlen eines pflichtteilsberechtigten Übernehmers eine Einschränkung von Wertausgleichsansprüchen innerhalb der Erbengemeinschaft zugunsten der Allgemeinheit durchaus rechtfertigen.
Rz. 28
Der Pflichtteilsanspruch soll eine Mindestteilhabe der nahen Verwandten am Erblasservermögen sicherstellen. Der Erbanspruch, der zu einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft führt, ist ein darüber hinausgehender Anspruch. Er ist nicht in gleicher Weise wie der Pflichtteilsanspruch gesetzlich geschützt, sondern unterliegt bis an die Grenzen der Pflichtteilsansprüche der Disposition des Erblassers. Zwar kann das im Einzelfall zur Folge haben, dass die besondere Bewertung bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu einem Ergebnis führt, dass einen pflichtteilsberechtigten Abkömmling schlechter stellt, als er im Falle der Berechnung des Pflichtteilsanspruches ohne Privilegierung stehen würde. Ein solches – in der Tat unerwünschtes – Ergebnis lässt sich jedoch ohne weiteres korrigieren, indem dem betroffenen Miterben über § 2305 BGB im Rahmen einer Korrekturberechnung ohne Privilegierung des Landguts die Differenz als Zusatzpflichtteil gezahlt werden muss.
Rz. 29
Damit wären beide Vorschriften ihrem Wortlaut entsprechend anwendbar. Im Ergebnis wäre der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz des landwirtschaftlichen Betriebes durch die Möglichkeit der Übergabe an einen geeigneten Nachfolger auch außerhalb des Personenkreises nach § 2303 BGB möglich und damit kann eine sehr viel effektivere Umsetzung des Schutzgedankens der Vorschriften, auch unter Berücksich...