Gesetzestext
Hat der Erblasser die Abkömmlinge auf dasjenige als Erben eingesetzt, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden, oder hat er ihre Erbteile so bestimmt, dass sie zueinander in demselben Verhältnis stehen wie die gesetzlichen Erbteile, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Abkömmlinge nach den §§ 2050, 2051 zur Ausgleichung verpflichtet sein sollen.
A. Allgemeines
Rz. 1
Die Vorschrift enthält eine Auslegungsregel. Ihr liegt folgender Gedanke zugrunde: Da bei gesetzlicher Erbfolge vermutet wird, der Erblasser wolle seine Abkömmlinge gleichmäßig teilhaben lassen, ist es gerechtfertigt, diese Vermutung auch auf die Situation zu erstrecken, dass er sie im Verhältnis ihrer gesetzlichen Quoten testamentarisch eingesetzt hat.
Rz. 2
Die Auslegungsregel kann durch Nachweis eines abweichenden Erblasserwillens entkräftet werden. Dieser muss vor oder bei der Zuwendung zum Ausdruck gekommen sein. Zur Ermittlung des Willens kommen die Urkunde selbst (etwa bei einer Verfügung des Inhalts, Abkömmlinge sollten nach Abzug der Vermächtnisse alles Verbleibende gleich unter sich teilen) oder außerhalb liegende Umstände in Betracht. Spätere Willensänderungen des Erblassers bedürfen der letztwilligen Form.
B. Tatbestand
Rz. 3
Die Vorschrift regelt zwei Varianten: (1) Einsetzung auf – genau – die gesetzlichen Erbteile. Dies muss nicht mit ausdrücklichem Hinweis auf das Gesetz oder gar mittels konkreter Bezifferung der Quote geschehen, vgl. etwa § 2066 BGB. (2) Verhältnismäßige Entsprechung: die Erbteile können größer oder kleiner sein als die gesetzlichen, solange nur die Erbteile der konkret bedachten Abkömmlinge dem gesetzlichen Verhältnis entsprechen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Ehefrau bei gesetzlichem Güterstand enterbt ist oder neben den gesetzlichen Erben ein Dritter eingesetzt wurde (bspw. Ehefrau zu ½, Bruder zu ¼, zwei Kinder zu je ⅛) oder der Erblasser lediglich einen Abkömmling enterbt, so dass dessen Anteil den übrigen gleichmäßig anwächst. Der Erblasser kann auch nur einige der Abkömmlinge auf die gesetzlichen Quoten einsetzen, dann findet die Ausgleichung nur unter diesen statt.
Rz. 4
Erblasser kann im Falle des Berliner Testaments auch der vorverstorbene Ehegatte sein. Die Abkömmlinge müssen dann bei der Auseinandersetzung nach dem Längstlebenden auch die Zuwendungen des Erstverstorbenen ausgleichen. Die Einsetzung geschieht durch Testament oder Erbvertrag. Einsetzung als Ersatzerbe oder als Nacherbe reicht aus. Sind Enkel eingesetzt, die wegen Wegfalls des vorrangigen Abkömmlings nunmehr gesetzlich erben, so greift die Ausgleichungspflicht ebenfalls.
C. Rechtsfolge
Rz. 5
Die Ausgleichung findet allein unter denjenigen Abkömmlingen statt, hinsichtlich derer die Einsetzung obigen Inhalts erfolgte, solange nur deren Verhältnis zueinander das der gesetzlichen Erbfolge ist – "relative Kongruenz".
Der Eintritt der Ausgleichungspflicht soll nicht dadurch gehindert sein, dass ein Abkömmling neben dem Erbteil durch Vorausvermächtnis, Auflage oder sonstige Anordnung zusätzlich begünstigt wurde, da diese Sachverhalte das Verhältnis der Erbteile zueinander nicht verändern. (Der Ausgleichungserbteil i.S.d. § 2055 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt sich dann nach demjenigen, was nach Abzug von Vorausvermächtnis usw. an faktisch vorhandener Teilungsmasse noch verbleiben mag, zuzüglich indexierter Wert der ausgleichungspflichtigen Zuwendung.)