Rz. 15
Das Gesetz nennt drei Parameter der Wertbemessung: Dauer und Umfang der Leistungen sowie den Wert des Nachlasses. Auf Grundlage dieser Merkmale ist eine Billigkeitsprüfung vorzunehmen, als deren Ergebnis sich durch "Gesamtwürdigung" der in die Abrechnung einzustellende Betrag ergibt. Dieser muss nach den Umständen des Einzelfalls billig und gerecht sein. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, eine genaue Ermittlung der Einzelleistungen zu verlangen. Die Regelung entlastet i.E. den Richter, dem "Aufstellung und Nachrechnung aller einzelnen oft nur schwer nachzurechnenden Leistungen und deren Einfluss auf den Nachlass" erspart bleibt, dem insoweit ein "Ermessen" eingeräumt ist und der von den Grundsätzen des § 287 Abs. 2 ZPO Gebrauch machen kann. Einigkeit besteht in der Lit. dahin, dass die Regelung alle Beteiligten vor große Schwierigkeiten stellt. Das LG Ravensburg hat sich in einer Situation landwirtschaftlichen Einschlags pauschal auf die Richtsätze betreffend die Mitarbeit von Angehörigen in der Landwirtschaft bezogen. Im Hinblick auf den Wert von Pflegeleistungen hat der Entwurf des § 2057b BGB vorgesehen, der Ausgleichungsbetrag richte sich "in der Regel nach den zur Zeit des Erbfalls" in § 36 Abs. 3 SGB XI vorgesehenen Beträgen, also denjenigen für die Pflegesachleistung, nicht das Pflegegeld gem. § 37 SGB XI. Es ist kein Grund ersichtlich, diese praktikable Möglichkeit einer Bewertung solcher Leistungen nicht zu übernehmen; sie sind hierdurch in allen relevanten Facetten quantifizierbar und haben sozusagen einen Tarif.
Rz. 16
Die Ermittlung des Ausgleichungsbetrages geschieht in zwei, nach neuerer Ansicht drei Stufen einer "Gesamtschau", und dies bei "abgesenkter Substantiierungslast". Zunächst sind nach Art, Intensität und Dauer die Leistungen herauszuarbeiten, die der Ausgleichungspflicht unterfallen. Hierbei ist einerseits von Belang, welche Einbuße das Vermögen des ausgleichsberechtigten Abkömmlings erlitten hat, andererseits zu berücksichtigen, welche Ersparnis auf Seiten des Erblassers korrespondiert. Auf zweiter Stufe ist abzuschätzen, welchen Einfluss die Leistungen auf den Wert des Nachlasses hatten. Dieser Aspekt hat den Charakter eines Korrektivs. Der faktische Nachlasswert gibt einen Anhaltspunkt, inwieweit die Leistung zur Erhöhung oder Erhaltung des Vermögens beigetragen hat. Je höher der Nachlasswert ist, desto großzügiger soll der Ausgleichungsbetrag festgelegt werden können und umgekehrt. Dritte Stufe soll eine Art von Ergebniskontrolle sein unter Berücksichtigung der Vermögensinteressen der übrigen Miterben, insbesondere, ob ihnen der Pflichtteil verbliebe.
Rz. 17
Str. ist in diesem Zusammenhang, ob im Einzelfall der gesamte Nachlass als Ausgleichungsbetrag in Betracht kommen kann (Beispiel: Dem Erblasser ist es nur durch Pflegeleistungen/besondere Unterhaltszahlungen gelungen, sein Vermögen zu erhalten, ansonsten wäre es für Pflege durch Dritte verzehrt worden). Der BGH hat die Frage ausdrücklich unentschieden gelassen; die überwiegende Meinung spricht sich dagegen aus. Deren Begründung, der Ausgleichungsbetrag könne nicht den gesamten Nachlass umfassen, da die Leistungen "in Relation" zu diesem Nachlass zu bewerten seien, kann m.E. kein Argument geben. Wenn i.R.d. § 2056 BGB möglich ist, dass die mit Vorempfängen versehenen Abkömmlinge leer ausgehen, besteht kein Grund, von dieser Möglichkeit im spiegelbildlichen Fall des § 2057a BGB prinzipiell abzurücken.