1. Allgemeines
Rz. 8
Auszugleichen sind gem. Abs. 1 S. 1 Leistungen, die "in besonderem Maße" dazu beigetragen haben, das Erblasservermögen zu erhalten oder zu vermehren; hierfür hat sich der Begriff "Sonderleistung" eingebürgert. Das Gesetz nennt Mitarbeit während längerer Zeit, erhebliche Geldleistungen oder Leistungen sonstiger Art. Das Besondere an den Leistungen bestimmt sich im Gegensatz zur Üblichkeit. Dieses Merkmal ist das Spiegelbild zur Übermaßdiskussion des § 2050 BGB. Hier wie dort wird die Abgrenzung anhand der Frage vorzunehmen sein, ob auf die Leistung ein gesetzlicher Anspruch des Erblassers bestand; ist dies der Fall, scheidet ein Ausgleich aus. Problematisch wird die Fragestellung wiederum im Hinblick auf Unterhaltsleistungen. Soweit sie in Erfüllung gesetzlicher Pflicht (§§ 1601 ff. BGB) erfolgen, sind sie prinzipiell nicht auszugleichen. Leistet der Abkömmling laufenden Unterhalt, um dem Erblasser den Vermögensverzehr zu ersparen, dient die Zahlung der Vermögenserhaltung und ist im Grundsatz ausgleichungspflichtig. Leistungen gem. §§ 1619, 1620 BGB sind kraft ausdrücklicher Anordnung in Abs. 2 S. 2 prinzipiell ausgleichsfähig. Haben alle Abkömmlinge Leistungen erbracht, so sind ausgleichspflichtig nur diejenigen, deren Dauer und Intensität die anderen signifikant übertrifft. Erforderlich ist Kausalität der Leistungen für Erhöhung und Erhaltung des Vermögens. Hierbei soll, wenn Leistungen der oben bezeichneten Art feststehen, deren Beitrag zu Vermögensmehrung oder -erhaltung prima facie anzunehmen sein. Anders OLG Oldenburg, wonach neben der Leistung auch das besondere Maß beweispflichtig sei. Der Beweis ist als geführt anzusehen, wenn feststeht, dass der Erblasser die Tätigkeit ansonsten durch eine bezahlte Arbeitskraft hätte ausführen lassen müssen. Ferner ist auszugleichen Pflege des Erblassers, Abs. 1 S. 2; das bis zur Neufassung geltende zusätzliche Erfordernis des Verzichts auf eigenes Einkommen ist hierbei gefallen.
2. Einzelne Leistungen
Rz. 9
Mitarbeit in Haushalt, Beruf oder Geschäft: Zur näheren Bestimmung dessen, was zu diesen Sphären rechnet, sind die Grundsätze der §§ 1619, 1360a BGB heranzuziehen. Mitarbeit meint jede geistige oder körperliche Tätigkeit unabhängig davon, ob es sich um Dienste höherer oder niederer Art handelt. Verzicht auf eigenes Einkommen ist, anders als bei der Pflege, nicht vorausgesetzt. Die Mitarbeit muss planmäßig über einen gewissen Zeitraum hinweg, nicht nur gelegentlich und aushilfsweise erfolgen. Der Begriff des Haushalts umfasst sämtliche Angelegenheiten der privaten Lebensführung, also Zubereitung von Mahlzeiten, Wäschepflege, Reinigen der Wohnung, Reparaturen, Besorgen von Einkäufen, Kinderpflege. Die Mitarbeit beim Beruf des Erblassers ist unabhängig davon, ob er selbstständig oder unselbstständig ausgeübt wird. Es reicht jede Art von Unterstützung, Handreichungen, Fahrten zur Arbeitsstätte, Schreibarbeiten, die dem Erblasser die Berufsausübung ermöglicht, erleichtert oder kostensparend zu gestalten hilft. Arbeit des Abkömmlings im Beruf selbst ist nicht erforderlich. Geschäft ist jedes Unternehmen, nicht nur das kleingewerbliche; auch Landwirtschaft kommt in Betracht. Die Gesellschaftsform ist unerheblich, Mitinhaberschaft des Erblassers genügt. Die Mitarbeit muss "längere Zeit" angedauert haben. Ein genereller zeitlicher Rahmen ist nicht bestimmbar; für hochwertige Tätigkeit kann ein kurzer Zeitraum genügen (Untergrenze dürften sechs Wochen sein); für einfache Tätigkeit wird man längere Dauer, ggf. über Jahre, verlangen.
Rz. 10
Erhebliche Geldleistungen: Es ist gleichgültig, ob die Zahlung einmalig oder laufend erfolgte. Auch kann an einen Dritten, etwa einen Gläubiger des Erblassers, geleistet worden sein. Ob beim Merkmal der Erheblichkeit objektive Kriterien oder der konkrete Lebenszuschnitt des Erblassers entscheidend sind, ist str. Dies ist womöglich ein Scheinproblem. Wollte man mit Wolf einen "allg. gültigen Maßstab" beziffern, so wäre – Aspekt der subjektiven Spürbarkeit eines Geldbetrages – als erheblich etwa eine Quote von 10 % (vgl. zu § 323 ZPO) bezogen auf das inländische pro Kopf verfügbare Einkommen anzusehen oder den Durchschnittsnettolohn eines Arbeitsnehmers, im Jahr 2018 etwa 1.950 EUR. Indessen wird auch die ob...