I. Leistungsverweigerungsrecht nach Abs. 1 S. 1
1. Grundsätze
Rz. 11
In seiner Rechtsfolge bietet Abs. 1 S. 1 eine aufschiebende Einrede gegen eine Befriedigung der Nachlassverbindlichkeit aus dem nicht geerbten Vermögen. Diese Einrede bewirkt keine Klageabweisung und hindert auch nicht den Verzug des Miterben, sondern führt nur die Aufnahme eines entsprechenden Vorbehalts nach § 780 ZPO in das Urteil herbei: "Dem Beklagten bleibt die Beschränkung der Erbenhaftung vorbehalten.". Eine weitergehende Beschränkung auf den konkreten Anteil oder einen bestimmten Betrag ist nicht erforderlich, da der Vorbehalt über §§ 780–785 ZPO erst in der Zwangsvollstreckung Wirkung entfaltet. Diese rechtstechnische Konstruktion bietet den Vorteil, dass nach der Teilung des Nachlasses aus dem erlangten Titel automatisch die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Miterben möglich wird.
Rz. 12
Keines Vorbehaltes zugunsten des beklagten Miterben einer noch ungeteilten Erbengemeinschaft im Urteil bedarf es, wenn der Nachlassgläubiger von vornherein nur eine Leistung aus dem Erbteil geltend macht, also schon seinen Klageantrag so beschränkt, dass eine Vollstreckung aus dem antragsgemäß ergehenden Titel nur in den Erbteil (z.B. durch Pfändung dieses Erbteils, § 859 Abs. 2 ZPO) möglich wird. Eine solche Vorgehensweise ist zwar denkbar, jedoch hat der Nachlassgläubiger hieran im Regelfall kein Interesse, da er gleichzeitig einen unbeschränkten Vollstreckungstitel gegen den Miterben für die Zeit nach der Teilung erlangen möchte, um – für den Fall, dass er innerhalb der "Restlaufzeit" der Erbengemeinschaft nicht zum Vollstreckungserfolg gelangen sollte – nicht nochmals das Klageverfahren durchlaufen zu müssen.
2. Einzelfälle
Rz. 13
Ist der Nachlass noch ungeteilt i.S.d. Abs. 1, sind aber vorab Nachlassgegenstände verteilt oder einzelne Miterben in Höhe ihrer Quote abgefunden worden, so ist umstritten, ob der Miterbe bei der Vollstreckung einer Haftungsbeschränkung nach Abs. 1 unterliegt. Die Stimmen, die dies bejahen, sprechen sich gleichzeitig für einen Ersatzanspruch des Nachlassgläubigers bei einer dessen Interessen beeinträchtigenden Übertragung von Nachlassgegenständen in das Vermögen von Miterben analog §§ 1978, 1991 Abs. 1, BGB aus, der dann seinerseits zum Nachlass gehören (§ 1978 Abs. 2 BGB) und eine Verpflichtung des Miterben zur Rückgewähr der erhaltenen Gegenstände an den Nachlass begründen soll. Ein weiterer Ansatz unterwirft – im Wege der teleologischen Reduktion – die bereits verteilten Nachlassgegenstände dem unmittelbaren Zugriff der Nachlassgläubiger durch Ausschluss des Leistungsverweigerungsrechts des Abs. 1 S. 1. Die Vorschrift bleibt dann nur anwendbar auf das Vermögen, welches dem Miterben bereits vor der partiellen Nachlassverteilung zustand.
Rz. 14
Beide Varianten erweisen sich aber als nur wenig praktikabel. So droht bei der erstgenannten Auffassung die doppelte Beschreitung des Rechtswegs, wenn nämlich erst bei Vollstreckung eines gegen die Miterben erwirkten Urteils, in welchem sich die beklagten Miterben die Beschränkung ihrer Erbenhaftung vorbehalten haben, festgestellt wird, dass Nachlassgegenstände, die für einen schnellen Vollstreckungserfolg von Interesse sind, bereits vorab an einzelne Miterben verteilt wurden. Es müsste dann gegenüber dem jeweils begünstigten Miterben der Anspruch auf Rückgewähr zum Nachlass gesondert eingeklagt werden. Im anderen Fall ist ein verwirrendes Vollstreckungsverfahren zu befürchten, da dann in einem in der gerichtlichen Praxis grundsätzlich nicht auf eine intensive Beweisaufnahme eingerichteten Verfahren geklärt werden muss, ob bestimmte Gegenstände, hinsichtlich derer die Vollstreckung begehrt wird, ursprünglich tatsächlich zum Nachlassvermögen gehörten. Auf vorab verteilte Nachlassgegenstände wird ein Nachlassgläubiger daher nur im Ausnahmefall versuchen, Zugriff zu nehmen.
Rz. 15
Bei angeordneter Testamentsvollstreckung wird die Anwendbarkeit der Haftungsbeschränkung bestritten, da die Unfähigkeit zur Befriedigung des Nachlassgläubigers aus dem Nachlass nicht aus den Besonderheiten der gesamthänderischen Bindung, sondern aus der Testamentsvollstreckung als solcher – die Miterben können nicht über Nachlassgegenstände verfügen, § 2211 BGB – resultiere, die einem Alleinerben aber gerade kein Leistungsverweigerungsrecht gewähre. Der argumentative Ansatz einer nicht sachgerechten Ungleichbehandlung von Alleinerbe und Miterben verkennt jedoch, dass sich der Alleinerbe nicht einer gesamtschuldnerischen Haftung mit Refinanzierungsrisiko im Innenverhältnis ausgesetzt sieht, als deren Kompensation auch bei angeordneter Testamentsvollstreckung die Haftungsbeschränkung des Abs. 1 S. 1 sachgerecht erscheint.