I. Inventarerrichtung durch einen Miterben (Abs. 1)
Rz. 4
§ 1993 BGB definiert Inventar als Verzeichnis des Nachlasses. Hieraus wird mehrheitlich die Voraussetzung abgeleitet, dass sich die Schutzwirkung des Abs. 1 nur dann bei den Miterben entfalten könne, wenn sich das errichtete Verzeichnis auf den gesamten Nachlass und nicht nur auf den Erbteil des errichtenden Miterben bezieht. Große praktische Relevanz wird diesem – dogmatisch zutreffenden – Ansatz aber kaum zukommen, da dem einzelnen Miterben vor Teilung des Nachlasses regelmäßig kein die anderen Erben ausschließendes Recht an einzelnen Nachlassgegenständen zusteht. Seine quotale Beteiligung an der Erbschaft (als Summe der "Quoten" an den einzelnen Nachlassgegenständen) macht dann aber die Aufnahme sämtlicher Gegenstände in das Inventar erforderlich. Auch ein Vorausvermächtnis zugunsten des das Inventar errichtenden Miterben führt hier zu keinen Besonderheiten, da der betroffene Gegenstand Bestandteil des Nachlasses bleibt und auch der Erbteil des begünstigten Miterben mit dem Vermächtnis belastet ist (vgl. § 2150 BGB).
Rz. 5
Hat ein Miterbe dem Wortlaut nach aber bewusst nur ein Inventar über seinen Erbteil errichtet, sollte dennoch seitens der übrigen Miterben vorsorglich ein eigenes fristgemäßes Inventar eingereicht werden. Dabei wird sich der nachfolgende Miterbe an den Vorgaben des bereits errichteten Inventars orientieren. Zur Vermeidung einer eigenen Inventaruntreue, die allein durch die Errichtung eines fehlerhaften Inventars seitens des Miterben noch nicht ausgelöst wird, sollten die dortigen Angaben vor einer Bezugnahme aber einer eigenen Überprüfung unterzogen werden.
Rz. 6
Nicht erforderlich ist, dass ein Miterbe gem. § 2004 BGB ausdrücklich erklärt, das errichtete Inventar solle als von ihm eingereicht gelten. Ebenso wenig kann aus dem Wort "auch" in Abs. 1 gefolgert werden, dass das von einem Miterben errichtete Inventar diesem überhaupt zugutekommt. Ein nach Ablauf einer gesetzten Inventarfrist eingereichtes Inventar kann bei einem anderen Miterben als rechtzeitiges Inventar volle Wirkung entfalten, wenn die diesem Miterben gesetzte Frist bei Einreichung noch nicht abgelaufen war. Problematisch ist dabei der Fall, in welchem ein ungetreu errichtetes Inventar die Miterben dazu bewegt, im Vertrauen auf dessen Richtigkeit die ihnen selbst gesetzte Inventarfrist verstreichen zu lassen. Richtigerweise wird man hier analog § 2005 Abs. 2 BGB auf Antrag der Nachlassgläubiger den Miterben eine erneute Frist zur Ergänzung des unvollständigen Inventars bestimmen müssen. Erst mit Ablauf dieser Frist tritt dann der Verlust des Haftungsbeschränkungsrechts ein.
II. Haftungsbeschränkung unter unbeschränkt haftenden Miterben (Abs. 2)
Rz. 7
Erfasst werden hier jene Fälle, in denen ein Miterbe von einem anderen Miterben auf Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit in Anspruch genommen wird (Verbindlichkeit des Erblassers gegenüber dem Miterben, Vermächtnis, Pflichtsteilergänzungsanspruch, Berichtigung einer gesamtschuldnerischen Nachlassverbindlichkeit), nachdem bei einem von ihnen im Verhältnis zu den außenstehenden Nachlassgläubigern bereits eine unbeschränkte Haftung eingetreten ist. Dabei wird vereinzelt angenommen, auf Erstattungsansprüche gem. § 426 BGB nach Befriedigung eines externen Nachlassgläubigers sei der Ausschluss der Haftungsbeschränkung nur bedingt anwendbar. Nur wenn die Haftung des auf Regress belangten Miterben gegenüber dem ursprünglichen Nachlassgläubiger noch beschränkbar gewesen sei, könne er die Haftungsbeschränkung auch dem die Erstattung fordernden Miterben gegenüber geltend machen, da es mit dem Grundgedanken des § 426 Abs. 2 BGB unvereinbar sei, diesen über Abs. 2 abzuschwächen. Zutreffender dürfte hier der Ansatz sein, Abs. 2 auf sämtliche Verbindlichkeiten der Miterben untereinander anzuwenden, da dies dem Wortlaut der Regelung näher kommt und auch mit deren Normzweck in Einklang gebracht werden kann.