Rz. 11

Existiert demgegenüber bereits eine letztwillige Verfügung, bei welcher Erben eingesetzt worden sind, kann die Auslegung ergeben, dass die ursprünglich Bedachten gemeint sind. Für § 2066 BGB bleibt dann kein Raum,[24] es sei denn, das spätere Testament ist als Widerruf der ursprünglichen letztwilligen Verfügung aufzufassen. § 2066 BGB findet auch dann keine Anwendung, wenn die Personen namentlich genannt oder durch bestimmte Merkmale bezeichnet sind ("Kinder meines Bruders"), und zwar selbst dann nicht, wenn es sich um die gesetzlichen Erben handelt.[25] S. 1 ist nicht anwendbar, wenn sich im Einzelfall ermitteln lässt, wen der Erblasser als gesetzliche Erben angesehen hat.[26] Hat der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung Angaben zur Höhe von Erbteilen gemacht oder zum Zeitpunkt, der für die Bestimmung der Personen maßgeblich ist, kommt die Vorschrift des S. 1 nicht zum Zuge.[27] Regelt der Erblasser nur einen dieser Punkte in seiner letztwilligen Verfügung, so gilt für den anderen die gesetzliche Ergänzung. Dieser Nachlassteil ist dann entsprechend den Quoten bei gesetzlicher Erbfolge aufzuteilen. Fällt ein gesetzlicher Erbe ersatzlos nach dem Erbfall weg, tritt Anwachsung unter den verbleibenden ein.

Der Erblasser unterscheidet sehr häufig nicht eindeutig zwischen den Begriffen "Kinder" und "Abkömmlinge". Oft werden Formulierungen wie "alle meine Abkömmlinge" oder "meine Kinder und deren Abkömmlinge" gewählt. In solchen Fällen ist im Wege der Auslegung zu entscheiden, ob der Erblasser tatsächlich alle Abkömmlinge zu gleichen Teilen einsetzen wollte oder aber seine Kinder zu Erben und deren Abkömmlinge zu Ersatzerben berufen sein sollten. In den seltensten Fällen wird man vorliegend zu einer Erbeinsetzung zu gleichen Teilen kommen. Möglich wäre auch eine Einsetzung der Kinder zu Vorerben und die Einsetzung von deren Abkömmlingen zu Nacherben.[28]

[24] MüKo/Leipold, § 2066 Rn 3.
[25] KG JW 1938, 2475; KG BeckRS 2012, 9524: "unsere Kinder".
[26] RGZ 70, 391.
[27] MüKo/Leipold, § 2066 Rn 6.
[28] BGH NJW 1993, 256; a.A. BeckOK BGB/Litzenburger, § 2066 Rn 5: Dies sei mit der erläuternden Auslegung unvereinbar, denn es fehle jeglicher Anhaltspunkt für ein solches Nacheinander mehrerer Erben.

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