Rz. 1
§ 2069 BGB enthält nach h.M. eine Auslegungsregel, nicht jedoch eine gesetzliche Vermutung.[1] Nach a.A. handelt es sich um eine gesetzliche Regel der ergänzenden Testamentsauslegung.[2] Praktische Auswirkungen hat diese Unterscheidung jedoch nicht. Gem. § 2069 BGB werden Zuwendungen an einen Abkömmling im Zweifel auf dessen Abkömmlinge erstreckt, wenn der Abkömmling nach Testamentserrichtung wegfällt, es sei denn, aus dem Testament selbst oder aus den Nebenumständen ergibt sich ein entgegenstehender Wille des Erblassers. Erklärt der Erblasser in einem notariellen Testament ausdrücklich, dass er eine Ersatzerbenbestimmung nicht treffen möchte, so ist in dieser Erklärung bewusst und gewollt der Ausschluss der Ersatzerbfolge nach Stämmen enthalten.[3] Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass die Vorschrift des § 2069 BGB eingreift, da die Auslegung ergeben kann, dass ein entgegenstehender Erblasserwille, der § 2069 BGB ausschließt, nicht ermittelt werden kann.[4]
Rz. 2
In der letztwilligen Verfügung sollte, um jegliche Zweifel auszuschließen, explizit geregelt werden, ob § 2069 BGB gelten soll oder nicht. Eine getroffene Ersatzerbenregelung kann auch erst dann zum Zuge kommen, wenn Abkömmlinge des ursprünglich eingesetzten Erben nicht vorhanden sind. Dies muss im Wege der Auslegung ermittelt werden.[5] Für den Fall, dass sich ein entsprechender Wille nicht ermitteln lässt, geht die Einsetzung von Ersatzerben der Regelung des § 2069 BGB vor.[6] Dies gilt aber nur, soweit die Ersatzerbeneinsetzung überhaupt eingreift. Hat der Erblasser seine beiden Kinder zu Erben und gleichzeitig zu Ersatzerben berufen, sind aber beide vor Eintritt des Erbfalls bereits verstorben, kommt § 2069 BGB zur Anwendung, es sei denn, die individuelle Auslegung würde zu einem anderen Ergebnis führen.[7]
Rz. 3
In den Regelungen der §§ 2066–2068 BGB sind die bedachten Personen mit auslegungsfähigen Begriffen bezeichnet. Hat der Erblasser in seinem Testament jedoch seinen Abkömmling namentlich benannt, besteht insoweit keine Unklarheit. Für die Auslegung bleibt kein Raum. Fällt der ursprünglich Bedachte jedoch nachträglich weg, wäre die Verfügung unwirksam. Hier greift aber § 2069 BGB ein und gibt der Verfügung einen anderen Inhalt. Dieser ist der veränderten Situation angepasst.[8] Da die Auslegung immer Vorrang hat, gilt diese Regelung nur im Zweifel, so dass zunächst versucht werden muss, den Erblasserwillen im Wege der Auslegung zu ermitteln.
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