Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
1. Zuwendung
Rz. 5
Voraussetzung ist, dass der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht hat und dieser nach Testamentserrichtung weggefallen ist. Unter Bedenken fallen alle Zuwendungen in einem Einzeltestament oder einem gemeinschaftlichen Testament, desgleichen in einem Erbvertrag. Die Zuwendung kann in Form der Erbeinsetzung, der Vermächtniszuwendung oder durch Begünstigung in Form einer Auflage erfolgen. Die Erbeinsetzung erfasst sowohl die Einsetzung zum Vor- oder Nacherben als auch die Einsetzung zum Ersatzerben.
Rz. 6
Handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Zuwendung, geht die Anwendung von § 2069 BGB der Vorschrift des § 2074 BGB vor. § 2074 BGB gilt nur dann, wenn der Abkömmling zwischen Erbfall und Bedingungseintritt wegfällt und zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass es dem Erblasserwillen entspricht, dass die weiteren Abkömmlinge ausgeschlossen sein sollen.
Rz. 7
Die Vorschrift des § 2069 BGB gilt auch für den Fall, dass der Erblasser nur einen Abkömmling hat. Maßgeblich ist allein die Tatsache, dass eine Erbfolge nach Stämmen vorrangig sein soll. Bedenkt der Erblasser mehrere oder alle seine Abkömmlinge, ist § 2069 BGB ebenfalls anwendbar. Maßgebend ist allein, dass der Grund der Zuwendung die Tatsache ist, dass die bedachten Personen Abkömmlinge sind.
2. Begriff des Abkömmlings
Rz. 8
Unter den Begriff "Abkömmlinge" fallen die ehelichen Kinder, Enkel, Urenkel usw., d.h. diejenigen Personen, die mit dem Erblasser in gerader Linie verwandt sind, des Weiteren die nichtehelichen sowie die adoptierten Kinder, im Übrigen die nichtehelichen Kinder eines männlichen Erblassers und nichteheliche Kinder männlicher Abkömmlinge. Die individuelle Auslegung kann jedoch dazu führen, dass nichteheliche Abkömmlinge ausgeschlossen sein sollen. Dies allerdings generell im Zweifel auch für Testamente, die zu einem Zeitpunkt errichtet wurden, zu dem es noch kein gesetzliches Erbrecht nichtehelicher Kinder gab, anzunehmen, ist nicht gerechtfertigt. Erfolgte eine Adoption durch den Abkömmling, so fallen die Adoptierten nur unter den Begriff des Abkömmlings, wenn durch die Adoption ein Verwandtschaftsverhältnis begründet worden ist. Handelt es sich jedoch um eine Volljährigen-Adoption, so macht die Adoption die angenommene Person nicht zum Verwandten des Erblassers. Somit zählt diese nicht zu den gesetzlichen Erben. § 2069 BGB ist daher nicht anwendbar. Pflegekinder sowie Stiefkinder fallen nicht unter den Begriff des Abkömmlings i.S.v. § 2069 BGB. Hier kann nur eine individuelle Auslegung zur Ersatzberufung der Abkömmlinge führen. Handelt es sich jedoch um ein Berliner Testament, so gilt Folgendes: Im Falle, dass Ehegatten in ihrem gemeinschaftlichen Testament Abkömmlinge des Erstverstorbenen zu Erben des Längstlebenden berufen haben, ist § 2069 BGB analog anzuwenden. Fällt somit der zum Schlusserben berufene einseitige Abkömmling weg, treten an dessen Stelle seine Abkömmlinge. Gleiches gilt auch, wenn es sich nicht um ein Berliner Testament, sondern um einen Erbvertrag handelt.
Rz. 9
Unter die Vorschrift des § 2069 BGB fällt in erster Linie der Fall, wonach der Erblasser den Abkömmling in seinem Testament namentlich benannt oder auch aufgrund individueller Merkmale bestimmt hat, wie z.B. die älteste Tochter oder der älteste Sohn. Ausreichend ist auch, wenn sich die Zuwendung an einen Abkömmling durch Auslegung ermitteln lässt. Aus den Vorschriften der §§ 2066, 2067 BGB ergibt sich schon aus der Vorschrift selbst, wer bedacht ist. Ein Rückgriff auf § 2069 BGB ist daher nicht möglich. Hat der Erblasser seine "Kinder" oder "Abkömmlinge" oder die "leiblichen Kinder" berufen, so sind im Zweifel diejenigen Abkömmlinge gemeint, die bei gesetzlicher Erbfolge zum Zeitpunkt des Erbfalls erbberechtigt wären.
3. Wegfall nach Testamentserrichtung
Rz. 10
Der Bedachte muss nach Testamentserrichtung weggefal...