Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 16
Die Grenze zur Sittenwidrigkeit wird leicht überschritten. Daher ist im Wege der Auslegung zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine Bedingung vorliegt oder ob es sich lediglich um einen Wunsch des Erblassers handelt. Die Grenze der Zulässigkeit ist in § 138 BGB zu sehen. Durch seine Anordnungen will der Erblasser auf das Verhalten des Zuwendungsempfängers nach dem Erbfall einwirken. Dies ist dem Erblasser zwar gestattet, aber die Grenze der Sittenwidrigkeit darf hierbei nicht überschritten werden. Er darf die Zuwendung bspw. nicht von einer strafbaren oder unehrenhaften Handlung abhängig machen. In diesem Fall ist die Verwirkungsklausel schon aus diesem Grund unwirksam, da das Verhalten selbst, das angestrebt wird, sitten- oder gesetzeswidrig ist.
Es kann gegen die guten Sitten verstoßen, wenn der Erblasser durch den Einfluss seines Vermögens versucht, die Entscheidungen des Bedachten zu beeinflussen. Wird durch eine angeordnete Bedingung massiver Druck auf die Freiheitsrechte des Bedachten ausgeübt, kann dies mit der Testierfreiheit des Erblassers kollidieren. Hier ist es Sache der Rechtsordnung, entsprechende Grenzen zu ziehen. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass die richterliche Kontrolle zur Fremdbestimmung des Erblassers entartet. Nur bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in Grundrechte des Bedachten ist daher eine Korrektur zulässig.
Rz. 17
Eine allg. gültige Formel, wann Sittenwidrigkeit gegeben ist und wann nicht, d.h. wann die Einflussnahme des Erblassers noch gebilligt werden kann, ist nicht vorhanden. Die h.M. geht richtigerweise davon aus, dass es unzulässig sei, "wenn der Erblasser das Verhalten der bedachten Person dadurch zu lenken versuche, dass er dieser Vermögensvorteile zukommen bzw. Vermögensnachteile verschaffe, das Verhalten des Bedachten jedoch auf dessen freier innerer Überzeugung beruhen sollte". Nach Ansicht des BGH sei Sittenwidrigkeit nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen anzunehmen. Weiter prägte der BGH die Formel, das Verdikt der Sittenwidrigkeit (als Schranke der Testierfreiheit) müsse sich auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder allgemeine Rechtsauffassung stützen können. Nach a.A. liege eine unzulässige Einflussnahme dann vor, wenn das Verhalten des Bedachten, das Bedingung der Zuwendung ist, in dessen Privatsphäre liege. Der Erblasser könne nämlich nur in seinem Vermögensbereich zulässige Bedingungen setzen. Nach weiterer Ansicht sei entscheidend, ob der Erblasser einen ungerechtfertigten Druck auf die Entschließungsfreiheit des Bedachten ausübe.
Rz. 18
Entscheidend ist jedoch, ob eine Verknüpfung des angestrebten Zwecks mit dem gewählten Mittel als verwerflich anzusehen ist. Wenn es der Wille des Erblassers ist, mit seinem Vermögen das Verhalten des Bedachten zu beeinflussen, kann dies einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen. Wird massiver mittelbarer Druck auf den Bedachten ausgeübt, liegt hierin ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB. Dem Erblasser ist es dabei auf der einen Seite zwar freigestellt, über sein Vermögen zu verfügen, es ist ihm jedoch nicht gestattet, die Lebensführung des Bedachten zu regeln.
Rz. 19
Dem Erblasser ist hingegen gestattet, Bedingungen zu schaffen, mit denen er den Gegebenheiten Rechnung tragen möchte, nicht jedoch das Verhalten beeinflusst. Allein die Tatsache, dass die Zuwendung von der Verheiratung, Scheidung oder dem Berufswechsel abhängig ist, führt nicht zur Sittenwidrigkeit. Seitens des Erblassers können daher auch solche Abkömmlinge ausgeschlossen werden, die eine nicht standesgemäße Ehe eingegangen sind. Maßgeblich für die Beurteilung, ob Sittenwidrigkeit zu bejahen ist, ist allein, ob eine sittenwidrige Verknüpfung von Mittel und Zweck vorliegt, d.h. ob der Erblasser versucht, ein bestimmtes Verhalten zu erkaufen. Hat der Erblasser bspw. Testamentsvollstreckung für die Zeit angeordnet, solange der Erbe Mitglied einer bestimmten Sekte ist, um den Fortbestand seiner sich im Nachlass befindlichen Firma zu sichern, kann hierin keine Sittenwidrigkeit gesehen werden. Es ist stets zu prüfen, ob die Zuwendung von ihrem Gewicht her überhaupt geeignet ist, die Entscheidungen des Bedachten zu beeinflussen. Es sind solche Bedingungen erlaubt, die das Schicksal des Vermögens des Erblassers sicherstellen. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Anordnung derartiger Bedingungen mittelbar Einfluss auf die persönliche Lebensführung des Bedachten genommen wird, sowie dann, wenn weniger einschneidende Mittel, wie z.B. die Anordnung einer Testamentsvollstreckung, zur Verfügung stehen.
Rz. 20
Trifft der Erblasser Verfügungen, die die Verwaltung des Nachlasses betreffen, oder ordnet er an, dass der Bedachte verpflichtet ist, im Falle einer Heirat den Güterstand der Gütertrennung zu vereinbaren oder auch das ererbte Vermögen durch Vereinbarung vom Zugewinnausgleich auszunehmen, widerspricht dies ebenfalls nicht den guten Sitten, wenn die Anordnung ei...