Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 32
Der Erblasser muss eine letztwillige Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung gemacht haben.
I. Kein anderer Erblasserwille
Rz. 33
Es ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass sich kein anderer Erblasserwille ermitteln lässt. In den Fällen, in denen man aufgrund der Vorschrift des § 2069 BGB dazu kommt, dass die Abkömmlinge der bedachten Person die verfügte Zuwendung erhalten sollen, findet § 2074 BGB keine Anwendung.
II. Aufschiebende Bedingung
Rz. 34
Die letztwillige Zuwendung muss unter einer aufschiebenden Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB stehen. Sie muss also von einem künftigen, ungewissen Ereignis nach dem Erbfall abhängig sein.
III. Zuwendung
Rz. 35
Die Zuwendung kann sowohl in einem Vermächtnis als auch in einer Erbeinsetzung liegen. Ist von einer Erbeinsetzung auszugehen, so handelt es sich notwendigerweise um eine Einsetzung zum Nacherben, wenn die Bedingung beim Erbfall noch nicht eingetreten ist. Die Vorschrift des § 2074 BGB führt dazu, dass die Nacherbschaft, die nicht durch den Tod des Vorerben bedingt ist, nicht vererblich ist. § 2108 Abs. 2 S. 2 BGB ordnet eindeutig den Vorrang von § 2074 BGB an. Liegt dagegen eine unbedingte Nacherbeneinsetzung vor, ist die Nacherbenanwartschaft gem. § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB i.d.R. vererblich.
Rz. 36
Bei einem Vermächtnis ist § 2074 BGB für den Fall nicht anwendbar, dass der Anfall des Vermächtnisses von einem bestimmten Termin oder einem künftigen, sicher eintretenden Ereignis abhängig ist. Es entscheidet allein die Auslegung darüber, ob der Zuwendungsempfänger in den vorgenannten Fällen noch leben muss oder nicht. Lediglich dann, wenn der Anfall des Vermächtnisses von einem künftigen, ungewissen Ereignis abhängt, findet § 2074 BGB Anwendung.
Rz. 37
Hat der Erblasser verfügt, dass die bedachte Person einen bestimmten Gegenstand vermächtnisweise bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters erhalten soll, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich um eine Bedingung oder um eine Befristung handelt. Ist von einer Bedingung auszugehen, muss der Zuwendungsempfänger das Lebensalter auch erreichen. Liegt hingegen eine Befristung vor, erhalten ggf. die Erben des Zuwendungsempfängers den Gegenstand in dem Zeitpunkt, in dem dieser das Lebensalter erreicht hätte.
Rz. 38
Die Bestimmung von Ersatzerben oder Ersatzvermächtnisnehmern stellt keine aufschiebende Bedingung dar. § 2074 BGB ist daher nicht anwendbar. Der Erblasser hat den Eintritt der Ersatzerbfolge bzw. den Eintritt des Ersatzvermächtnisses nicht von einem Ereignis abhängig gemacht, das nach dem Erbfall eintritt. Vielmehr hat der Erblasser den Eintritt der Ersatzerbfolge davon abhängig gemacht, ob die Erbschaft bzw. das Vermächtnis vom zunächst Bedachten im Zeitpunkt des Erbfalls erworben wird. Wegen der Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls gilt dies auch für die Ausschlagung bzw. die Erbunwürdigkeitserklärung. Wie vorstehend ausgeführt, gilt § 2074 BGB für die Einsetzung des Ersatzerben bzw. Ersatzvermächtnisnehmers nicht. Daher muss der Ersatzerbe bzw. der Ersatzvermächtnisnehmer beim Erbfall gelebt haben, nicht hingegen zum Zeitpunkt des etwaigen späteren Ereignisses (z.B. der Ausschlagung).
Rz. 39
Hat der Erblasser eine unmögliche aufschiebende Bedingung angeordnet, die bereits bei Errichtung unmöglich war, und war diese Unmöglichkeit dem Erblasser auch bekannt, führt dies zur Nichtigkeit der Verfügung. War dem Erblasser dagegen nicht bekannt, dass die Bedingung unmöglich ist, oder tritt diese Unmöglichkeit erst nach Errichtung ein, kann die Verfügung unter Umständen aufrechterhalten bleiben. Hierzu muss allerdings die Auslegung führen. Macht der Erblasser ein bestimmtes Verhalten zur Bedingung und hat die Zuwendung den Charakter einer Gegenleistung, wird die Verfügung bei eingetretener Unmöglichkeit unwirksam. Dies gilt bei Zweckerreichung vor dem Erbfall, bei Zweckerreichung durch einen Dritten (z.B. Pflege der Eltern oder Betreuung des behinderten Kindes durch andere Person) oder bei Zwecklosigkeit (z.B. Tod des zu versorgenden Hundes). Hat der Erblasser eine Verfügung mit einer auflösenden Bedingung angeordnet und ist der Eintritt der Bedingung unmöglich, fällt die Bedingung weg, die Zuwendung hingegen bleibt wirksam.