Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
I. Grundsatz
Rz. 9
Rechtsfolge gem. § 2075 BGB ist, dass die testamentarische Anordnung im Zweifel als auflösende Bedingung anzusehen ist, § 158 Abs. 2 BGB. Tritt die Bedingung ein, ist die Zuwendung ohne Rückwirkung unwirksam. Ein späteres Verhalten des Bedachten, z.B. dass er den geforderten Pflichtteil wieder zurückbezahlt, ändert nichts am Eintritt der Bedingung. Die Rechtsfolge, dass die Zuwendung entfällt, bleibt bestehen. Lag eine Erbeinsetzung vor, tritt ab Bedingungseintritt notwendigerweise Nacherbfolge ein. Die zunächst als Erbe eingesetzte Person hat die Stellung eines Vorerben. Nacherben sind diejenigen Personen, die der Erblasser zur Erbfolge berufen hat. Im Übrigen gilt § 2104 BGB. Die Auslegung kann jedoch auch dazu führen, dass der Erbteil im Falle des Bedingungseintritts den anderen Erben zufallen soll. Es liegt eine aufschiebend bedingte Nacherbfolge vor. Diese aufschiebend bedingte Nacherbfolge ist in einem zu erteilenden Erbschein auszuweisen. Somit steht erst bei seinem Tod fest, ob der Zuwendungsempfänger Vollerbe geworden ist.
Rz. 10
Das Verhalten, das der Erblasser zur Bedingung gemacht hat, ist nicht Voraussetzung für den Erwerb der Zuwendung, sondern ist Voraussetzung für deren Behaltendürfen. Der Bedachte ist somit Vorerbe. In aller Regel soll der Bedachte nach dem Willen des Erblassers eine umfassende Rechtsstellung innehaben, so dass man grundsätzlich von einer befreiten Vorerbschaft auszugehen hat.
Rz. 11
Lag anstelle einer Erbeinsetzung ein Vermächtnis vor, ist nur ganz ausnahmsweise ein Nachvermächtnis anzunehmen, und zwar dann, wenn der Erblasser dies ausdrücklich angeordnet hat. Ansonsten entfällt das Vermächtnis ersatzlos. Sind bereits Leistungen erfolgt, sind diese nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Bezüglich etwaiger bereits gezogener Nutzungen kann der Erblasser Anordnungen dahingehend treffen, dass diese herauszugeben sind oder dem Bedachten verbleiben sollen. Trifft er diese nicht, kann § 2075 BGB nicht als Auslegungsregel herangezogen werden.
II. Entsprechende Anwendung des § 2075 BGB
Rz. 12
Hat der Erblasser in seinem Testament angeordnet, dass der Bedachte eine bestimmte Zuwendung erhält, wenn er im Güterstand der Gütertrennung lebt, ist § 2075 BGB nach seinem Wortlaut nicht anwendbar. Vorliegend ist ein fortgesetztes Tun oder Unterlassen nicht gegeben. Ist die Bedingung jedoch gewollt, lässt sich im Wege der Auslegung allerdings nicht klären, ob eine auflösende oder eine aufschiebende Bedingung gewollt ist, ist § 2075 BGB analog anzuwenden. Gleiches gilt dann, wenn der Erblasser anordnet, eine Person erhalte die Zuwendung, die eine andere Person fortgesetzt pflegt. Die Bedingung zu erfüllen, liegt zwar nicht allein in der Willkür des Bedachten. Vielmehr ist deren Erfüllung auch vom Willen der zu pflegenden Person abhängig. Dennoch liegt im Zweifel eine auflösende Bedingung i.S.v. § 2075 BGB vor. In den Fällen, in denen der Pflegebedürftige nicht gepflegt werden will und die Pflege somit an dessen entgegengesetztem Willen scheitert, gilt die auflösende Bedingung als nicht eingetreten (entsprechend § 2076 BGB). Scheitert hingegen die Fortsetzung der Pflege am Gesundheitszustand des Pflegebedürftigen, ist die auflösende Bedingung eingetreten. § 2076 BGB findet keine Anwendung. Dies hat zur Konsequenz, dass die Nacherbfolge eintritt. Dies gilt dann nicht, wenn die Auslegung zu einem anderen Ergebnis führt.
Rz. 13
Die Einschränkung in § 2075 BGB (Willkür des Bedachten; fortgesetztes Tun oder Unterlassen) ist allein zu dem Zweck erfolgt, dass keine Vermutungswirkung zugunsten einer Bedingung für den Fall, dass das Tun oder Unterlassen von der Mitwirkung eines Dritten abhängig ist, geschaffen worden ist. In den Fällen, in denen der Erblasser einen landwirtschaftlichen Betrieb zuwendet und in seiner Verfügung anordnet, dass die Zuwendung erfolgt, wenn er richtig bewirtschaftet wird, kann hierin die Bedingung der Erbeinsetzung zu sehen sein. Ist eine angeordnete Bedingung sittenwidrig, entfällt die Verfügung, es sei denn, es kann eine Umdeutung erfolgen.